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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Devonbrooke House gab es auch einen solchen Tisch, aber wenn die Familie unter sich speiste, hatte Sterling darauf bestanden, dass sie ihre Plätze nur an einem Ende einnahmen, um die Gesellschaft der anderen besser genießen und sich unterhalten zu können. Als ein Lakai Lottie zu dem einzelnen Stuhl am anderen Ende der Tafel geleitete, konnte sie daraus nur schließen, dass Hayden an keinem von beidem Interesse hatte.
    Er besaß jedoch genug Manieren, um sich zu erheben, als sie den Raum betrat.
    »Guten Morgen, Mylord«, sagte sie steif und setzte sich.
    »Mylady«, erwiderte er und musterte ihre schmucklose Aufmachung mit unergründlicher Miene.
    Er setzte sich wieder und zog eine Uhr aus seiner Westentasche. Zunächst glaubte Lottie, die Geste wäre gedacht, sie für ihr Zuspätkommen zu tadeln, aber dann begriff sie, dass sich auf dem Tisch noch ein weiteres Gedeck befand.
    Genau zwischen ihren beiden Plätzen.
    Hayden hatte kaum Zeit, seine Taschenuhr zuschnappen zu lassen, als Allegra erschien. Statt sich lustlos vorwärts zu schleppen, hüpfte das Mädchen. Sie hatte sich fürs Frühstück zurechtgemacht, indem sie sich einen schmutzigen Strumpf hochgezogen und den Dreck von ihrer Nase auf die Wange verschmiert hatte. Leise vor sich hin summend, schob sie umständlich einen der schweren Stühle näher zu ihrem eigenen und setzte ihre Last mit zärtlicher Fürsorglichkeit darauf ab, wie sie gewöhnlich nur den Alten oder Gebrechlichen zuteil wird.
    Hayden schaute stirnrunzelnd zu dem Stuhl, unfähig, seine Verblüffung zu verbergen. »Was, um Himmels willen, ist das
Ding
da?«
    »Das ist meine neue Puppe. Mami hat sie mir gegeben.« Allegra drehte sich zu Lottie um und strahlte sie an. Das sonnige Lächeln verwandelte ihr Gesicht. Einen flüchtigen Moment lang war sie nicht nur apart, sie war wunderschön.
    Dieses kleine Ungeheuer.
    Als Hayden seinen Blick auf Lottie richtete, spürte sie, wie ihr der Magen in ihre Kniekehlen sank. »Wie überaus großzügig von Mami«, erklärte er mit seidenglatter Stimme, aber unheilvoll glitzernden Augen, während er seine Kaffeetasse zu einem spöttischen Toast hob.
    Allerdings war es großzügig von Lottie, seinem Kind ein abgenutztes, heiß geliebtes Spielzeug zu überlassen, während sein eigenes teures Geschenk in seinem mit Samt ausgeschlagenen Kasten vor sich hin moderte.
    »Es ist nur eine meiner alten Puppen«, beeilte sich Lottie zu erklären. »Allegra kam in mein Zimmer, als ich sie gerade auspackte, und sie gefiel ihr sofort.«
    Das Mädchen faltete ihre Serviette zu einem behelfsmäßigen Lätzchen und steckte es ihrem Schützling in den rüschenbesetzten Ausschnitt. »Mami sagt, die Puppe sieht genauso aus wie sie, als sie so alt war wie ich.«
    Hayden studierte nachdenklich die verfilzten, angesengten Locken, die abgesplitterte Nasenspitze und die Piratenklappe der Puppe. Trotz ihrer vielen Gebrechen hatte ihr verbliebenes blaues Auge nie ganz sein übermütiges Funkeln eingebüßt, ebenso wenig wie der Rosenknospenmund sein mutwilliges Lächeln. »Ich für meinen Teil«, sagte er, »kann immer noch eine deutliche Ähnlichkeit erkennen.«
    Zu seinem Glück betrat in diesem Moment das kleine rothaarige Dienstmädchen, das Lottie gestern ihr Abendessen gebracht hatte, geschäftig das Speisezimmer, eine Schüssel mit dampfendem Haferschleim in den Händen, und versperrte ihm damit den Blick auf Lottie, die ihn empört anschaute. Während sie aßen, wurde das angespannte Schweigen nur von Allegras Geplapper unterbrochen, wenn sie einen Löffel an die Lippen ihrer Puppe hob, um sie mit Haferschleim zu füttern. Lottie trank ihre heiße Schokolade in einem Zug und wünschte sich, es wäre Strychnin.
    Als Allegra den Rest des Porridges genüsslich aus ihrer Schüssel geschlürft hatte, blickte sie zwischen Hayden und Lottie hin und her. »Also, wie habt ihr beide euch kennen gelernt?«
    Lottie verschluckte sich fast an dem Bückling, den sie sich gerade in den Mund gesteckt hatte.
    »Ich glaube, diese Frage lasse ich besser deine Stiefmutter beantworten.« Hayden lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Das schadenfrohe Funkeln in seinen Augen warnte sie, dass er auf ihre Antwort genauso gespannt war wie Allegra.
    Sie wusste, sie konnte nicht einfach damit herausplatzen: »Ich habe deinen Vater heimlich beobachtet, und dann hat er mich ertappt und für eine Kurtisane gehalten.« So betupfte sich Lottie ihre Lippen mit der Serviette, um Zeit zu gewinnen. »Nun …

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