Eine skandaloese Liebesfalle
gesehen worden, und alle machten ihrer Erleichterung Luft - das musste es sein. Das musste es einfach sein.
Aber es war nur ein Telegramm, adressiert an Elissande, das man unter der Post gefunden hatte, die während der Abwesenheit von Lord und Lady Vere gekommen war.
Meine Liebste,
ich habe ein unerwartetes Verlangen nach dem Austerngratin entwickelt, das es im Savoy-Hotel gibt, und daher beschlossen, nach London zu reisen und dort über Nacht zu bleiben.
Liebe Elissande, mach Dir meinetwegen keine Sorgen. Wisse nur, dass ich Dich sehr liebe.
Deine Dich liebende Tante
Lord Vere nahm ihr das Telegramm aus den gefühllosen Fingern und überflog den Inhalt. Dann las er das Telegramm der versammelten Dienerschaft vor.
„Also, kein Grund zur Sorge“, rief er. „Sie ist nach London gefahren, wie sie es vorhatte - und morgen ist sie, wie sie schreibt, wieder zurück. Bitte gehen Sie alle wieder an Ihre Arbeit. Mrs Green, gönnen Sie sich eine Tasse Tee und betrachten Sie den heutigen Tag als Ihren freien Tag.“
„Aber ...“
Lord Vere blickte Elissande an. Elissande lockerte ihre Hände und lächelte Mrs Green beruhigend an. „Ihre Entschlüsse sind manchmal etwas plötzlich, Mrs Green. Wir leben damit. Sie wird morgen zurück sein, so wie sie es gesagt hat.“
Mrs Green knickste und ging ihren Tee einnehmen. Die anderen Dienstboten zerstreuten sich. Nur Lord Vere und Elissande blieben in der Diele stehen.
„Komm mit mir“, sagte er.
Er nahm sie mit in sein Arbeitszimmer, schloss die Tür und reichte ihr ein weiteres Telegramm. „Das hier ist für mich gekommen. Du wirst es lesen wollen. “
Sie blickte auf das Blatt. Die Worte verschwammen vor ihren Augen, weigerten sich, sich zu sinnvollen Sätzen zu fügen. Sie musste die Augen schließen und dann wieder öffnen.
Sehr geehrter Herr,
uns ist kürzlich bekannt geworden, dass Mr Douglas vermisst wird. Weder die Art und Weise, wie er seine Flucht bewerkstelligt hat, noch sein gegenwärtiger Aufenthaltsort konnten bisher ermittelt werden. Die Behörden wollten Sie darüber in Kenntnis setzen, dass er auf der Flucht ist - und Ihre Mithilfe dabei erbitten, ihn wieder in Gewahrsam zu bringen.
Ihr ergebener Filbert
„Er war der Landstreicher“, sagte Lord Vere unerbittlich. „Er muss deiner Tante mitgeteilt haben, wo sie sich mit ihm treffen soll.“
Ein Schraubstock legte sich um Elissandes Brust. Sie konnte nicht atmen. Vier Tage vor seinem Gerichtsverfahren hatte ihr Onkel ihre Tante im hellen Tageslicht ausfindig gemacht.
Und was hatte Elissande zu der Zeit getan? Sie hatte sich in einer Burgruine mit ihrem albernen Geständnis lächerlich gemacht, versucht, ihren gefühllosen Bastard von einem Ehemann für sich zu gewinnen.
Besagter Ehemann drückte ihr ein Glas Whisky in die Hand. „Trink.“
Der Whisky hinterließ eine brennende Spur in ihrem Hals. Sie hob das Glas höher, aber es war schon leer.
„Ich brauche mehr.“
„Jetzt nicht. Du verträgst Alkohol nicht gut.“
Sie rieb das leere Glas an ihrer Stirn. „Ich verstehe das nicht - nichts davon ergibt Sinn. Sie war nicht allein. Mein Onkel hat sie nicht am Hals gepackt und entführt. Warum ist sie freiwillig gegangen, um sich mit ihm zu treffen?“
„Er muss entweder dich oder mich bedroht haben, vielleicht auch uns beide.“
„Er ist auf der Flucht. Das Gesetz ist ihm auf den Fersen. Er kann keinem von uns etwas antun.“
„Du kennst ihn nicht so wie sie.“
Mit dieser Einschätzung war sie nicht einverstanden. „Ich habe mit ihm mein gesamtes Leben gelebt.“
Er blickte sie einen langen Augenblick an, als sei sie ein Tier, das kurz davor stand, zum Schlachter geführt zu werden. „Möchtest du dich nicht setzen? Da ist etwas, das ich dir sagen muss.“
Er musste ihr etwas sagen? Über ihren Onkel? Plötzlich sah sie die Ereignisse der letzten Wochen noch einmal vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen. Hunderte Ratten fanden ihren Weg in Lady Kingsleys Haus, ein überaus kluger Mann kam nach Highgate Court und gab sich als Idiot aus, schlich überall im Hause herum, und nur wenige Tage später hatte die Polizei genug Beweise in der Hand, um ihren Onkel zu verhaften. Wie groß waren die Chancen, dass das alles reiner Zufall war?
Sie setzte sich. Oder vielleicht trugen sie auch einfach ihre Beine nicht mehr. „Du hattest damit etwas zu tun, oder? Du bist nicht in unser Haus gekommen, weil Lady Kingsley ein Rattenproblem hatte; du bist gekommen, weil du Beweise gegen
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