Eine skandaloese Liebesfalle
„Darf ich?“ Er reichte seine Laterne an Elissande weiter und hob Tante Rachel behutsam auf seine Arme.
Er wartete, dass Elissande vorausging und ihm den Weg leuchtete. Sie blickte ihn einen Moment lang an, diesen wunderbaren, komplizierten Mann. In dem Aufwallen von Glück, das mit der erfolgreichen Rettung ihrer Tante einhergegangen war, hatte sie ganz vergessen, dass sie ihn verloren hatte - oder besser, dass er nie auch nur ansatzweise ihr gehört hatte.
Man konnte nicht alles haben. Für heute war es genug, dass sie Tante Rachel zurück hatte.
Als sie unten ankamen, schaute Elissande wieder zu ihrem Ehemann und ihrer Tante zurück, wie sie es unzählige Male während ihres Abstiegs nach unten getan hatte. Daher war es Vere, der zuerst bemerkte, dass das Unvermeidliche eingetreten war.
„Lady Vere, ich fürchte, dein Onkel ist zu sich gekommen“, sagte er.
In seinen Armen begann Tante Rachel zu zittern. Elissande legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen. Ihre Freude darüber, ihre Tante unverletzt gefunden zu haben, verblasste: Ihr Onkel war immer noch am Leben, immer noch imstande, sie alle zu verletzen, sie zu verfolgen.
Diesen Eindruck erweckte er auch wirklich: Im flackernden Licht der Laternen wurde ihr unter seinem eisigen Blick ganz kalt, und sein blutiges Gesicht war so arrogant wie eh und je.
Sie hatten inzwischen den Fuß der Treppe erreicht. „Wohin soll es jetzt gehen, meine Liebe?“, fragte Vere sie.
Sein Ton wies Elissande darauf hin, dass sie diejenige war, die die Richtung vorgeben sollte. Sie berührte ihn am Ellbogen, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihn verstanden hatte. „Es wäre mir am liebsten, wenn du zur nächsten Polizeiwache fahren und den Oberinspektor holen würdest und so viele Konstabler, wie du nur überzeugen kannst, mit dir zu kommen. Ich werde hierbleiben und die ... Lage im Auge behalten.“
„Sehr wohl, Mylady.“
„Und Mrs Douglas begleitet dich. Sie hat sich lange genug in diesem Hause aufgehalten.“
„Natürlich.“ Er achtete mit aller Vorsicht darauf, dass Tante Rachel wieder Boden unter ihren Füßen hatte. „Dann gehen wir jetzt zur Tür, Mrs Douglas.“
„Und du willst mich voller Schadenfreude der Polizei ausliefern, wo ich doch solche Schwierigkeiten auf mich genommen habe, um herzukommen und euch beide zu sehen?“, fragte ihr Onkel. Er sprach ungewohnt undeutlich - Elissande hoffte sehr, dass sie seinem Kiefer dauerhaften Schaden zugefügt hatte -, aber wie immer war die Bedrohung durch ihn da, ein Gift, das langsam, aber unausweichlich wirkte.
„Ja“, antwortete sie mit unendlicher Befriedigung. „All diese Jahre bin ich dir der Vater gewesen, den du nie hattest, und das ist der Dank, den ich dafür erhalte.“ Sie lächelte, das erste Mal in „all diesen Jahren“, dass sie es vor ihrem Onkel auch meinte. „Du wirst genau so viel Dank ernten, wie du verdienst.“
„Dann gibt es keine Gnade?“ Die unglaubliche Bosheit in seinen Augen hätte ihr Angst gemacht, wenn er nicht enger verschnürt gewesen wäre als Ebenezer Scrooges
Geldbörse aus Dickens Weihnachtsgeschichte. „Wirst du auch kommen, um mich hängen zu sehen?“
„Nein“, erklärte sie. „Ich verspüre nicht den Wunsch, dir noch einmal zu begegnen. “
Sie wandte sich an Vere. „Bitte, beeil dich.“
„Das werde ich“, sagte er. Er bot Tante Rachel den Arm. „Mrs Douglas?“
Tante Rachel warf ihrem Ehemann einen raschen, ängstlichen Blick zu, dann legte sie ihre Hand auf Veres Arm.
„Ich sehe, das Ehegelöbnis bedeutet dir nicht mehr als eine Scharade, Rachel“, sagte Douglas. „Aber das tat es ja noch nie, nicht wahr?“
Tante Rachel zögerte. Elissande entschied, dass es witzlos war, an der Lüge festzuhalten. „Hör nicht auf das, was er sagt, Tante Rachel. Ich weiß, er hat dich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geheiratet; er ist bestimmt nicht in der Lage, irgendwem Vorhaltungen zu machen und mahnend an die Feierlichkeit von Schwüren zu erinnern. “
Tante Rachel starrte sie an. „Woher ... woher weißt du das?“
„Vorspiegelung falscher Tatsachen.“ Ihr Onkel machte ein abfälliges Geräusch. „Du hast auch deinen Teil zur Vorspiegelung falscher Tatsachen beigetragen, nicht wahr, Rachel? Ich kenne deine Lügen. Ich kenne die Wahrheit über das, was mit Christabel geschehen ist.“ Tante Rachel wankte. Vere stützte sie. „Geht es Ihnen gut, Mrs Douglas?“
Sie atmete hart und schnell. „Wenn ich ... wenn ich
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