Eine skandalöse Versuchung
vorbeifahren und sich die Hälse verrenken, wenn sie gerade einmal in der Gegend sind. Jedes Mal, wenn du einen Fuß vor die Tür setzt - sei es zu Hause oder nebenan
in deinem Klub -, wird dich eine Gruppe kichernder Mädchen in Empfang nehmen. Und du wirst es gewiss nie wieder wagen, einen Schritt in den Park oder in die Bond Street zu tun.«
Sie sah ihn forschend an. »Ist es das, was du willst?«
Er studierte ihren Blick und musste feststellen, dass es ihr voller Ernst war. Er schauderte. »Großer Gott!« Er seufzte und presste die Lippen aufeinander; dann erwiderte er: »Na schön. Lady Hartingtons Soiree. Treffen wir uns dort oder soll ich dich mit der Kutsche abholen?«
»Es wäre durchaus angemessen, mich und meine Tanten zu der Veranstaltung zu geleiten. Mildred und Gertie werden gegen acht Uhr hier sein. Wenn du kurz darauf eintriffst, kannst du uns in Mildreds Kutsche begleiten.«
Er schnaubte leise, doch mit einem höflichen Nicken. Er ließ sich nicht gerne etwas vorschreiben, doch auf diesem speziellen Gebiet … Dies war einer der Gründe, weshalb er sie brauchte. Er machte sich nichts aus der feinen Gesellschaft; er kannte ihre geheimen Tücken zu gut und gleichzeitig nicht gut genug, um sich in ihrem grellen Schein wirklich wohlzufühlen. Obwohl er die feste Absicht hegte, sich dem gesellschaftlichen Trubel weitestgehend zu entziehen, war ihm doch angesichts seines Titels und seiner Position bewusst, dass er sich und seiner Zielsetzung, ein ruhiges Leben zu führen, keinen großen Gefallen tun würde, wenn er die Damenwelt mit ihren geheiligten Gepflogenheiten offen vor den Kopf stieß. Indem er sich beispielsweise ihrem Drang, ein frisch verlobtes Paar eingehend zu begutachten, entzog.
Er konzentrierte sich wieder auf Leonoras Gesicht. »Und wie lange müssen wir uns ihrem fragwürdigen Interesse ausliefern?«
Ihre Lippen zuckten. »Mindestens eine Woche.«
Er verzog das Gesicht und knurrte buchstäblich.
»Es sei denn, es käme ein nennenswerter Skandal dazwischen oder …« Sie sah ihn eindringlich an.
Er dachte angestrengt nach, doch seine Überlegungen brachten ihn kein Stück weiter. »Oder was?«, fragte er.
»Wir hätten eine ernst zu nehmende Entschuldigung wie etwa unsere aktive Beteiligung an einer Verbrecherjagd.«
Als er das Haus eine halbe Stunde später verließ, hatte er sich mit dem abendlichen Soireebesuch wohl oder übel abgefunden. Mountfords zunehmend riskantere Aktionen ließen annehmen, dass sie nicht allzu lange würden warten müssen, ehe er das nächste Mal in Erscheinung treten und ihnen in die Falle gehen würde. Und dann …
Mit etwas Glück würde Tristan nicht mehr allzu viele abendliche Veranstaltungen über sich ergehen lassen müssen - zumindest nicht als unverheirateter Mann.
Dieser Gedanke erfüllte ihn mit finsterer Entschlossenheit.
Festen Schrittes machte er sich auf den Heimweg, während er im Geiste den Ablauf des nächsten Tages und die intensivere Suche nach Martinbury plante. Er war bereits in die Green Street eingebogen und hatte sein Haus fast erreicht, als jemand seinen Namen rief.
Er blieb stehen, wandte sich um und entdeckte Deverell, der in diesem Moment aus einer Droschke stieg. Er wartete, bis dieser den Fahrer bezahlt hatte, dann ging er ihm entgegen.
»Darf ich dich auf ein Glas Brandy hereinbitten?«
»Gern.«
Sie machten es sich in der Bibliothek bequem und warteten ab, bis Havers den Raum verlassen hatte, um auf ihre Geschäfte zu sprechen zu kommen.
»Es hat jemand angebissen«, erwiderte Deverell auf Tristans hochgezogene Augenbrauen. »Und ich würde wetten, es war dieser Finsterling, vor dem du mich gewarnt hast. Er hat sich angeschlichen, als ich gerade gehen wollte; fast zwei Stunden muss er auf der Lauer gelegen haben. Ich benutze ein kleines Büro in einem Haus in der Sloane Street, das mir selbst gehört. Es steht gerade leer und ist für unsere Zwecke bestens geeignet.«
»Was hat er gesagt?«
»Dass er im Auftrag seines Herrn einige nähere Informationen über das Haus Nummer sechzehn einholen wolle. Ich habe ihm die üblichen Dinge genannt; Ausstattung und so weiter und natürlich den Preis.« Deverell grinste. »Er hat mir Hoffnungen gemacht, dass sein Herr womöglich interessiert sei.«
»Und weiter?«
»Ich habe ihm erklärt, warum das Haus zu vermieten ist und dass unter den gegebenen Umständen sein Herr damit rechnen müsse, das Haus nur für wenige Monate bekommen zu können, da der Eigentümer
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