Eine skandalöse Versuchung
Bandagen hervor, die um seinen Kopf gewickelt waren. Der überwiegende Teil seines Körpers schien bandagiert zu sein; ein Arm ruhte in einer Schlinge. Sein Gesicht wies mehrere schwere Prellungen und Schnitte auf, und über einem Auge hatte er einen riesigen Bluterguss.
Er war bei klarem Verstand, wenn auch ansonsten recht schwach. Als Leonora ihm erklärte, sie hätten nach ihm gesucht, weil sie bezüglich der Zusammenarbeit von Cedric Carling und A.J. Carruther gerne mit ihm sprechen würden, leuchteten seine Augen auf.
»Gott sei Dank!« Er schloss kurz die Augen, dann öffnete er sie wieder. Seine Stimme klang rau, noch immer heiser. »Ich habe Ihren Brief bekommen. Ich kam extra etwas früher in die Stadt, um mich bei Ihnen zu melden …« Er brach ab, seine Züge überschatteten sich. »Alles Weitere war nichts als ein einziger Albtraum.«
Tristan sprach mit den Ordensschwestern. Obwohl sie sich durchaus besorgt zeigten, stimmten sie zu, dass es Martinbury gut genug ginge, um transportiert zu werden, zumal er sich nunmehr in den Händen von Freunden befand.
Tristan und der Gärtner des Ordens nahmen Jonathon in ihre Mitte, stützten ihn und halfen ihm hinaus zu der wartenden Droschke. In das Gefährt hineinzuklettern, beanspruchte die Kräfte des jungen Mannes erheblich; als er schließlich in eine Decke gehüllt und mit mehreren Kissen gestützt auf dem Sitz Platz genommen hatte, waren seine Lippen fest aufeinandergepresst und sein Gesicht war sehr blass. Tristan hatte ihm seinen Paletot geliehen, da Jonathons eigener Mantel hoffnungslos zerrissen worden war.
Tristan und Leonora richteten den Schwestern Jonathons Dankesworte aus, und Tristan versprach, dem Orden sobald als möglich eine dringend benötigte Spende zukommen zu lassen. Leonora schenkte ihm einen anerkennenden Blick. Er half ihr hinauf in die Droschke und wollte gerade folgen, als eine mütterlich wirkende Schwester auf ihn zuhastete.
»Warten Sie! Warten Sie!« Mit einer schweren Reisetasche in der Hand kam sie keuchend durch das Eingangstor gerannt.
Tristan trat ihr entgegen und nahm ihr die Tasche ab. Sie strahlte Jonathon durch die offene Tür an. »Es wäre doch eine Schande, wenn Sie nach allem, was Sie durchmachen mussten, das einzige bisschen Glück, das Ihnen geblieben ist, am Ende auch noch verlieren würden!«
Als Tristan die Tasche auf den Droschkenboden hievte, beugte sich Jonathon herunter und tastete nach der Tasche, so als müsse er sich vergewissern, dass sie tatsächlich da war. »Ganz recht«, erwiderte Jonathon atemlos und nickte, so gut es ging. »Herzlichen Dank, Schwester.«
Die Schwestern winkten und riefen ihnen Segenswünsche zu; Leonora winkte zurück. Tristan kletterte hinein und schloss den Schlag hinter sich. Als er neben Leonora Platz nahm, rollte die Kutsche bereits an.
Er betrachtete die große lederne Reisetasche, die zwischen den Sitzbänken auf dem Boden ruhte. Er blickte zu Jonathon auf. »Was ist darin?«
Jonathon ließ seinen Kopf gegen die Rückwand sinken. »Meiner
Einschätzung nach genau das, hinter dem die Leute her sind, die mir das hier angetan haben.«
Leonora und Tristan starrten die Tasche an.
Jonathon atmete schmerzerfüllt ein. »Wissen Sie …«
»Nicht doch.« Tristan hob eine Hand. »Warten Sie. Die Fahrt ist schon anstrengend genug. Ruhen Sie sich aus. Wenn wir Sie erst einmal bequem bei uns untergebracht haben, können Sie uns allen in Ruhe Ihre Geschichte erzählen.«
»Ihnen allen?« Jonathon sah ihn hinter halb geschlossenen Lidern an. »Wie viele sind Sie denn?«
»Einige. Es ist gewiss angenehmer, wenn Sie Ihre Geschichte nur ein einziges Mal erzählen müssen.«
Eine fiebrige Ungeduld erfasste Leonora, die sich insbesondere auf Jonathons schwere Ledertasche konzentrierte. Eine völlig gewöhnliche Reisetasche, doch sie konnte sich vorstellen, was darin verborgen war. Als die Droschke schließlich in der schmalen rückwärtigen Gasse vor dem Gartentor vom Montrose Place Nummer vierzehn anhielt, war Leonora vor unbefriedigter Neugier schon völlig außer sich.
Tristan hatte den Kutscher zuvor in einer Straße nahe dem Park anhalten lassen und hatte sie mit den Worten, er habe noch etwas zu regeln, in der Droschke warten lassen.
Es dauerte über eine halbe Stunde, ehe er zurückkehrte. Jonathon hatte in der Zwischenzeit geschlafen und war noch immer erschöpft, als die Kutsche zum letzten Mal hielt und Deverell ihnen den Schlag öffnete.
»Geh vor.« Tristan
Weitere Kostenlose Bücher