Eine skandalöse Versuchung
worauf Mountford es eigentlich abgesehen hat. Wir könnten uns natürlich zurücklehnen und abwarten, bis ihm der Einbruch gelingt, und dann sehen, worauf er sich stürzt. Dies ist allerdings der weitaus gefährlichere Weg. Ihn in dieses Haus hier einsteigen zu lassen und ihn die Sache, hinter der er her ist, auch nur für einen Augenblick in die Finger kriegen zu lassen, sollte tatsächlich unser allerletzter Ausweg sein.«
»Und die Alternative?«, fragte Jeremy.
»Mit unseren schon begonnenen Nachforschungen fortzufahren. Erstens Martinbury finden; er kann uns hoffentlich Näheres zu Carruther sagen. Zweitens die drei Informationsquellen, die wir
haben - Tagebücher, Briefe, Notizen -, nach weiteren Zusammenhängen durchsuchen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Mountfords Interesse wenigstens teilweise hiermit zusammenhängt. Falls er selbst Zugang zu den uns fehlenden Teilen hat, würde dies durchaus Sinn ergeben.«
»Und drittens …« Tristan blickte wieder Leonora an. »Wir sind davon ausgegangen, dass der Gegenstand seines Interesses - sagen wir die Formel - sich in Cedrics Werkstatt befand. Dies könnte nach wie vor der Fall sein. Wir haben nur die offen herumliegenden Schriften entfernt; falls jedoch irgendetwas gezielt in der Werkstatt versteckt wurde, müsste es immer noch dort sein. Und letzten Endes wäre es auch möglich, dass die endgültige Formel aufgeschrieben und an anderer Stelle im Haus versteckt wurde.« Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. »Die Gefahr, dass Mountford diese in die Finger bekommt, ist zu groß. Wir sollten das Haus daher gründlich durchsuchen.«
Leonora erinnerte sich daran, wie er Miss Timmins’ Zimmer durchsucht hatte, und nickte. »Ich stimme dem zu.« Sie ließ den Blick um den Tisch schweifen. »Onkel Humphrey und Jeremy sollten in der Bibliothek mit den Tagebüchern, Briefen und Notizen weitermachen. Eure Leute werden die Stadt nach Martinbury durchkämmen. Damit bleibt noch ihr drei, richtig?«
Tristan schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. »Und du. Wenn du das Personal in Kenntnis setzt und uns freie Bahn verschaffst, werden wir drei das Haus durchsuchen. Wir müssen womöglich vom Dachboden bis zum Keller jeden Raum abklappern, und euer Haus ist recht groß.« Sein Lächeln bekam einen harten Zug. »Aber wir sind schließlich gut im Suchen.«
Das waren sie durchaus.
Leonora beobachtete vom Türrahmen der Werkstatt aus, wie die drei adligen Gentlemen still wie die Mäuse suchten, stöberten, stocherten, in jeden kleinsten Winkel blickten, an den schweren Regalen hochkletterten, hinter Schränke spähten, versteckte Ritze mit
Stöcken abtasteten und sich flach auf den Boden legten, um Unterseiten von Schränken und Schubladen zu überprüfen. Ihnen entging nichts.
Und sie fanden nichts außer Staub.
Von der Werkstatt aus arbeiteten sie sich allmählich weiter vor - zunächst durch die Küche und die Speisekammern, die momentan geräuschlose Waschküche und alle übrigen Räume im Untergeschoss, dann begaben sie sich voll Entschlossenheit ins Erdgeschoss und setzten ihre bemerkenswerten Fähigkeiten in den dortigen Räumlichkeiten ein.
Innerhalb von zwei Stunden hatten sie die Schlafzimmer erreicht; eine weitere Stunde später betraten sie den Dachboden.
Gerade rief der Gong zum Mittagessen, als Leonora, die auf der Treppe zum Dachboden Platz genommen hatte, hinter sich auf der Treppe Schritte spürte.
Sie stand auf und wandte sich schwungvoll herum. Am Gang der Männer, schwer und langsam, erkannte sie, dass sie offenbar nicht das Geringste gefunden hatten. Sie kamen in ihr Sichtfeld, allesamt damit beschäftigt, ihr Haar und ihre edlen Anzüge von Spinnenweben zu befreien - der gute Mr Shultz, Londons begehrtester Herrenschneider, wäre gewiss nicht erfreut gewesen.
Tristan begegnete ihrem Blick und fasste einigermaßen mürrisch zusammen: »Wenn sich in diesem Haus irgendwo eine geheime Formel versteckt hält, dann in der Bibliothek.«
Und zwar in Cedrics Tagebüchern oder Carruthers Briefen und Notizen.
»Wenigstens wissen wir das nun mit Sicherheit.« Leonora wandte sich um und ging ihnen voran die Haupttreppe hinunter ins Speisezimmer.
Jeremy und Humphrey kamen hinzu.
Während sie Platz nahmen, schüttelte Jeremy den Kopf. »Nichts Neues, leider.«
»Außer«, setzte Humphrey stirnrunzelnd hinzu, während er seine Serviette ausbreitete, »dass ich mir allmählich immer sicherer
werde, dass Cedric über die Auswertungen und
Weitere Kostenlose Bücher