Eine Socke voller Liebe
wenn sie die Bocadillos bringt. Ich habe dir
übrigens eines mit Schinken und Ei bestellt.“
„Sehr gut. Und einen großen Pott Kaffee hoffentlich auch.“
„Selbstverständlich.“
„Hast du dir schon überlegt, was du machst? Ich meine, ob du
allein bis Burgos laufen willst?“
„Nein, nein, wenn, dann fahre ich mit dir. Ich habe keine
Lust, allein auf die einsame Hochebene zu steigen.“
„Außerdem sollen die letzten zehn Kilometer durch das
Industriegebiet sowieso äußerst scheußlich sein. Da verpassen wir nichts.“
Die Spanierin brachte das Frühstück an den Tisch und wandte
sich gleich Sabine zu. Sie überstürzte sich fast vor Begeisterung über deren
rotlockige Haarpracht, bevor sie fragte, ob die Suche nach den Wanderschuhen
erfolgreich gewesen sei.
Nachdem sie einen Blick auf die Sandalen geworfen hatte,
entschied sie rigoros, dass Sabine damit auf keinen Fall über die Passhöhe
laufen könne, und bevor irgendjemand ihren Redeschwall unterbrechen konnte,
drehte sie sich auf dem Absatz um und lief gestikulierend und laut „Filipo“
rufend ins Haus zurück.
Sabine und Andrea hatten nur die Hälfte von dem verstanden,
was die Señora gesagt hatte. Aber so viel war sicher: Sie wollte ihnen helfen,
nach Burgos zu kommen.
„Jetzt bin ich aber gespannt, was sie sich ausgedacht hat“,
verriet Sabine ihre Neugier, bevor sie herzhaft in das knusprige Brot biss.
„Das ist ja einfach unglaublich“, begeisterte sich Andrea,
„die gibt uns schon eine Antwort, bevor wir sie überhaupt gefragt haben.“
Die Señora kam zurück und bediente weiter. Sie winkte den
beiden Frauen zu und rief ihnen zu: „Momento. Uno momento“.
Sie hatte alle Hände voll zu tun, um die vielen Peregrinos
mit Kaffee und Broten zu versorgen und verschwand wieder für längere Zeit im
Haus.
Als die meisten Pilger bereits weiter gegangen waren, saßen
die Freundinnen immer noch wartend am Tisch. Inzwischen waren sie bei ihrem
dritten Milchkaffee angelangt.
Das junge Mädchen, das das Geschirr hinter der Theke spülte,
konnte ihnen nur sagen, dass die Señora auf der Suche nach Filipo sei.
„Hier in der Sonne wird es schon wieder heiß. Ich glaube, ich
muss mich umsetzen“, jammerte Andrea. „Wie spät ist es eigentlich?“
„Geschätzte zehn oder halb elf, würde ich sagen.“
„Moment, ich glaub sie ist wieder da. Ich höre sie.“
Strahlend kam die Señora an ihren Tisch und kündigte an, dass
ihr Sohn Filipe recht bald nach Burgos fahren und sie mitnehmen würde.
Das „bald“ dauerte so lange wie das Trinken eines halben
Liter Orangensaftes und das Verzehren eines Mandelkuchens. Die große Flasche
Wasser tranken sie nicht mehr ganz leer, denn Filipo kam mit seinem alten Opel
Kadett, um sie abzuholen.
Der kleine, drahtige Spross der Señora hatte wahrscheinlich
seinen Führerschein erst vor wenigen Wochen gemacht, denn er fuhr sehr langsam
und vorsichtig durch die Dorf Straßen. Erst auf der Landstraße drückte er aufs
Gaspedal und zeigte in den Kurven, dass sein Auto diese auch ohne vorheriges
Abbremsen meistern konnte.
Leider verstand er weder englisch noch deutsch. Zumindest
sprach er kein Wort und beantwortete auch keine Fragen. Vielleicht war er taub?
Aber warum hatte er dann das Radio so laut aufgedreht? Wahrscheinlich war er
schwerhörig. Ja, so musste es sein.
Andrea, die auf dem Beifahrersitz saß, machte sich ihre
Gedanken. Ab und zu drehte sie sich grinsend um. Sabine rutschte kichernd neben
den Rucksäcken auf der hinteren Bank hin und her. Der Anschnallgurt war kaputt.
Filipe fuhr auf die Autobahn. „Großer Gott“, dachte Sabine,
was aber unbegründet war, denn hier herrschte Tempo Hundert. Filipe und sein
Auto gaben sich alle Mühe, das Tempolimit nicht zu unterschreiten.
Im Auto war es einfach nur laut und sonst nichts. Vielleicht
war der Auspuff kaputt? Ein Gespräch war unmöglich. Es hätte die Stimmbänder
ruiniert.
Die Autobahnfahrt war schnell wieder vorbei, und Felipe
meisterte den regen Stadtverkehr grandios.
Am Eingang in die Altstadt machte er eine Vollbremsung an
einer Bushaltestelle. Er holte die Rucksäcke aus dem Kofferraum und stellte sie
auf dem Gehweg ab, verabschiedete sich mit einem kräftigen Händedruck und
kurzer Verbeugung und wünschte ihnen einen „buen camino“.
Den Zehneuroschein hatte er zwar höflich abgelehnt, aber sie
hatten ihm trotzdem das Geld durch das geöffnete Seitenfenster zugesteckt und
die Freude darüber in seinen Augen
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