Eine Socke voller Liebe
vielleicht heute Nacht über mich krabbeln. Igittigitt.“
„Da habt ihr wirklich Pech“, sagte Corinna, „denn die
Herberge ist sauber und ordentlich.“
„Tja, aber wir überleben das schon. Keine Bange. Was uns
nicht umbringt, macht uns nur härter“, lachte Sabine.
Corinna erzählte, dass sie zwei Wanderstöcke gefunden habe:
„Die lehnten einsam und verlassen an einem Pilgerdenkmal und forderten mich
auf, sie mitzunehmen. Es sind zwei gekürzte Besenstiele, ein roter und ein
grüner. Wenn wir uns in León treffen, schenke ich sie dir“, versprach sie
Sabine. „Aber ich habe leider nur noch eine Woche Zeit.“
„Dann werden wir versuchen, auch in einer Woche dort zu sein.
Hinter León beginnt wieder eine Berglandschaft und dann kann ich deine Stöcke
sicherlich gut gebrauchen.“
„Ja, ich musste auch meine Meinung revidieren und die
Erfahrung machen, dass es besser ist, mit Stöcken zu laufen.“
„Also Prost auf die Stöcke und den camino mit die schöne
Frauen“, mischte sich Bernard ein und hob sein Glas.
Es ging lustig und locker zu, an dem heutigen Abend und
nachdem sie gemeinsam die vierte Flasche Rotwein geleert hatten, meinte Andrea,
dass sie jetzt die nötige Bettschwere für das Notlager habe.
Mit Hilfe ihrer Taschenlampen suchten die Freundinnen wenig
später ihre Pritschen in der großen Halle, die inzwischen voll besetzt war und
an ein Flüchtlingsaufnahmelager erinnerte.
Allen Befürchtungen zum Trotz schliefen sie in dieser Nacht
jedoch bestens.
17.
Freiheit
„Desayuno“ stand in großen Buchstaben auf einem Pappschild und
ein großer Pfeil zeigte nach links auf einen Weg, der in einer Senke
verschwand. Ein runder Turm ragte über die Sträucher.
Andrea und Sabine folgten der Ankündigung und freuten sich
auf den Morgenkaffee.
Eine hübsche, junge Frau, die der Hippiezeit entsprungen zu
sein schien, kam freudestrahlend auf sie zu, als die Pilgerinnen das
alternative Anwesen betraten. Freundlich forderte sie die Beiden auf, an dem
großen runden Holztisch auf der Terrasse Platz zu nehmen, um den bereits vier
junge Leute beim Frühstück saßen.
Der Kaffee war schwarz und kräftig, das Brot knusprig
gebacken, die Marmelade hausgemacht. Der Honig vielleicht auch vom eigenen
Bienenstock? Lecker!
Von der Terrasse führten drei Stufen auf eine große Wiese.
Acht Zelte standen dort unter hohen, alten Bäumen. Das Terrain wurde von dicken
Findlingen begrenzt. Sabine sah von ihrem Platz aus dem Wasser zu, das unter
den Steinen hervorsprudelte und in einem Bassin aufgestaut wurde. Mehrere
Ableitungen mit Wasserhähnen, unter denen Plastikschüsseln standen, zeugten von
der hygienischen und hauswirtschaftlichen Verwendung.
Es war, alles in allem ein etwas märchenhaft anmutendes
Anwesen, zu dem auch die Inneneinrichtung des kleinen Hauses mit Turm passte,
die eher an ein Heimatmuseum als an eine Herberge im 21. Jahrhundert erinnerte.
Die kleinen Zimmer waren liebevoll mit alten land- und
hauswirtschaftlichen Gebrauchsgegenständen dekoriert, die massiven Holzbetten
hatten rot-weiß-karierte Schonbezüge über den Matratzen und in der Küche
standen Blechnäpfe und irdene Schüsseln, in denen große Holzlöffel steckten.
Alles war blitzsauber geschrubbt, urgemütlich und einladend.
Fast tat es ihnen leid, nicht hier übernachtet zu haben.
Sabine fragte nach dem Frühstück, wo denn die Toilette sei.
Die junge Frau drückte ihr eine Rolle Klopapier in die Hand und wies auf die
Sträucher am Ende des Grundstückes hin: „Go this way and you will see it.“
Gespannt, was sie erwarten würde, lief Sabine über den
schmalen Schotterweg, der hinter dichten Sträuchern in einem riesigen
Stoppelfeld mündete.
Ein Blick nach links: Unzählige Häufchen, abgedeckt mit rosa
und weißem Klopapier. Der Blick nach rechts ergab fast das gleiche Bild,
allerdings mit einem gravierenden Unterschied: Hier stand inmitten der vielen
Häufchen ein Plumpsklo auf dem Feld!
Dieser absolute Knüller bestand aus zwei Säulen von je vier
übereinandergesetzten Ziegelsteinen, auf denen eine rote Klobrille thronte. Der
passende Deckel dazu war mit weißen und blauen Blumen bemalt!
Sabine hatte ein Gefühl, dass irgendwo zwischen Ekel und
Belustigung angesiedelt war und suchte sich notgedrungen ein freies Plätzchen.
Als sie ihre Hände im klaren aber eiskalten Wasser des Pools
wusch, war sie sich sicher, dass sie hier niemals hineinsteigen würde. Das
Wasser war so eisig, dass ein Untertauchen darin
Weitere Kostenlose Bücher