Eine Socke voller Liebe
selbst bei der schlimmsten
Hitze für sie unvorstellbar war.
Lachend erzählte sie Andrea von der alternativen
Entsorgungsanlage.
Der Pilgerweg führte die Freundinnen weiter über die
Hochebene durch die landwirtschaftliche Einöde. Nur ab und zu mussten sie
kleine Höhenunterschiede überwinden.
Mitten in dieser Einsamkeit stand eine Kirchenruine, in der
wieder eine außergewöhnliche Herberge untergebracht war: Die Schlafstätten
befanden sich im einzig erhaltenen seitlichen Kirchenschiff. Die Etagenbetten
unter der geschwungenen Gewölbedecke waren durch dicke Vorhänge vom
Außenbereich abgetrennt. Jedoch war hier kein Mensch zu sehen.
Andrea entdeckte den Grund dafür an einer Wasserstelle. Hier
war zu lesen, dass es mangels Wasser keines gab.
Aber mitten in der Ruine stand ein funktionstüchtiger
Getränkeautomat, der eiskalte Cola ausspuckte.
Die Freundinnen setzten sich auf eine Bank im Schatten, um
eine Weile zu verschnaufen. Sie blickten über die Mauerreste in das herrliche
Dunkelblau des Himmels, das der Sonne ungehinderte Freiheit ließ, ihre heißen
Strahlen auf die vertrocknete Erde zu senden.
Die letzten Kilometer für heute führten an einer wenig
befahrenen Landstraße entlang, deren große Bäume den heiß ersehnten Schatten
spendeten.
Die hübschen, alten Häuser von Castrojeriz waren mit Blumen
geschmückt, und verliehen dem Städtchen einen einladenden, freundlichen
Eindruck.
Hier quartierten sie sich in einer sauberen, privaten Herberge
ein und waren die ersten, die in einem Sechsbettzimmer zwei Camas belegten.
Andrea ließ sich sofort auf eine Matratze fallen und seufzte
laut: „Ich bleib jetzt hier liegen. Ich bin sooo müde. Duschen kann ich
später.“
Sie sagte das, drehte sich auf die Seite und schlief ein.
Sabine kleidete sich aus und stellte sich unter die Dusche.
Der warme Wasserstrahl prasselte angenehm auf ihren strapazierten Rücken. Sie
schloss die Augen und genoss die Entspannung.
„Mein Gott, geht’s mir gut!“, dachte sie dabei.
Nichts war mehr selbstverständlich. Alltäglichkeiten wie
Duschen, Schlafen und Essen hatten einen anderen Stellenwert bekommen.
Gestern das kalte Wasser und eine schmutzige Unterkunft,
heute ein sauberes Zimmer und ein schönes Bad.
All das passierte rein zufällig, ohne ihren Einfluss. Nichts
war geplant, und sie und Andrea wussten meistens am Morgen noch nicht, wo sie
am Abend schlafen würden. Sie liefen einfach los. Zähne putzen, Schuhe an,
Rucksack auf und ab ging‘s. Seit sechzehn Tagen jeden Morgen dasselbe und
trotzdem war kein Tag wie der andere, jeder Tag war spannend und neu.
Sie hatten es geschafft, sich auf ihren Pilgerweg und seine
Gegebenheiten einzulassen und versuchten nicht mehr, Äußerlichkeiten
einzuordnen, sondern nahmen sie hin wie sie waren. Sabine rubbelte ihren nassen
Körper mit dem Handtuch ab, während ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen.
Sie war vollkommen frei. Sie musste nicht funktionieren, und es gab nichts, was
sie in diesem Moment belastete. Mit den wirren Träumen schienen auch ihre
Ängste Reißaus genommen zu haben. Eine Welle der Dankbarkeit durchflutete sie.
Sie fühlte sich wie abgenabelt vom Rest der Welt und zentrierte ihre Gedanken
auf dieses freiheitliche Bewusstsein, als sie in ihren kuscheligen Schlafsack
kroch.
18.
Naturereignisse
Noch in der Morgendämmerung hatten die Freundinnen heute die
kleine Stadt verlassen. Vier schnarchende Männer hatten ihnen die Nachtruhe
dermaßen vermasselt, dass sie frühzeitig aufstanden, weil an Schlaf sowieso
nicht mehr zu denken war.
Der Aufstieg zum Alto de Mostelares war kurz, aber sehr
steil, und sie waren ein wenig aus der Puste, als sie oben ankamen.
Ein wunderschöner Ausblick über die Tafelberge breitete sich
vor ihren Augen aus. Die frühen Sonnenstrahlen tauchten die grauen Wolkenfetzen
über den Bergrücken mehr und mehr in ein rötliches Licht.
Andrea und Sabine setzten sich auf eine Bank und beobachteten
fasziniert das Naturereignis. Der schmale rote Streifen hinter den Bergen
breitete sich immer weiter aus und aus dem frühen Rot wurde Orange. Wie ein
Ball kroch die Sonne langsam aus ihrer Morgenröte hervor bis sie leuchtend gelb
am Himmel stand und ihr warmes Licht auf die Erde sandte.
„Es hat so sein müssen, dass wir früh aus den Federn
gekrochen sind, sonst hätten wir diesen herrlichen Sonnenaufgang nicht erlebt“,
sagte Andrea.
„Ja, alles hat seinen Sinn“, murmelte Sabine verträumt und
reckte sich, um
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