Eine Socke voller Liebe
vorgeschlagene Etappe laufen, haben wir heute nur vier Stunden Feldweg
an einer Straße entlang vor uns und kommen durch Sahagun, einer Stadt mit
vielen Backsteingebäuden im romanischen Stil mit arabischem Einfluss.“
„Das hört sich nach einer schönen Abwechslung an“, antwortete
Sabine, während sie den nächtlichen Salbenverband von ihrem Knöchel löste und
ihn zufrieden betrachtete.
„Heute Morgen ist die Schwellung wieder verschwunden und
nichts tut mehr weh. Das ist genial“, stellte sie fest und zog die Bandage über
den Fuß. „Ich zieh mir nur noch die Socken und die Schuhe an, dann können wir
aufbrechen.“
Vor einer kleinen Ortschaft erweckte ein langgestreckter,
bewachsener Hügel ihre Aufmerksamkeit durch viele bunt gestrichene Türen, die
offenbar in sein Inneres führten. Neugierig schauten sie durch die
Schlüssellöcher. Aber dahinter war es stockfinster und sie konnten nichts
erkennen. Hinter einigen zerstörten Türen verbargen sich Höhleneingänge und
alte, zerbrochene Holzregale.
„Das sieht nach Vorratshaltung aus“, vermutete Sabine, als
sie weiter in den Ort liefen.
Uralte Lehmhäuser, von denen manche zu Ruinen verfallen
waren, säumten die Dorfstraße. Viele dieser alten Gebäude waren noch bewohnt
und konkurrierten mit den modernen Wohngebäuden in ihrer Nachbarschaft. Sabine
lief auf die kleine Dorfkirche zu. Die Tür war verschlossen. Sie blickte auf
den Zettel, der neben dem Eingang hing und versuchte die Schrift zu entziffern.
„Wenn ich das richtig lese, kann man sich den Schlüssel für
die Kirche im gelben Haus um die Ecke holen.“
„Möchtest du das?“, fragte Andrea.
„Ja, warum nicht“, äußerte Sabine, „wir haben doch Zeit“.
„Buenos dias“, grüßte jemand hinter ihr. Überrascht sah sie
sich um.
Ein junger Spanier hielt auf der Straße mit seinem Fahrrad
und erklärte den Frauen in perfektem Englisch, dass die Kirche um zehn Uhr
geöffnet würde. Er lud sie ein, so lange in seinem Garten zu warten.
Erfreut, aber auch verwundert über eine solche Gastfreundschaft
nahmen sie die Einladung an.
Das Haus befand sich nur wenige Meter von der Kirche
entfernt. In dem kleinen Garten vor dem Gebäude standen Tisch und Stühle unter
einem Moskitonetz.
Francesco, wie er sich vorgestellt hatte, verschwand kurz im
Haus und kam mit einer Karaffe Wasser und einer großen Schale voller Orangen,
Pfirsichen und Trauben zurück.
Er freute sich sichtlich, die beiden deutschen Peregrinas
bewirten und über seinen Heimatort informieren zu können. Von ihm erfuhren sie,
dass sich in dem Hügel tatsächlich Vorratskammern für Getreide, Feldfrüchte und
Wein befanden. Sogar aus der nahe gelegenen Stadt Sahagun kamen Händler, um
hier Vorräte zu lagern.
Wenig später lief der Kirchendiener auf der Straße vorbei.
Francesco rief ihm etwas zu. Der alte Mann wartete auf die beiden Frauen, und
geleitete sie zu seiner Kirche.
Er strahlte sie an, als er stolz die dicke Holztür öffnete
und sie in das helle und freundliche kleine Gotteshaus eintreten ließ.
„Sieht ein bisschen so aus wie ein spanisches Wohnzimmer“,
flüsterte Andrea ihrer Freundin ins Ohr, als sie die vielen bunten
Plastikblumen sah, mit denen der Altar geschmückt war.
„Und die Figuren der Heiligen sind wahrscheinlich vor einigen
hundert Jahren von den Bauern selbst geschnitzt worden“, ergänzte Sabine, „sie
sehen sehr einfach aus, aber irgendwie wirken sie auf mich so…“, sie überlegte
einen Moment nach einem passenden Wort, „…liebenswert.“
„Wahrscheinlich, weil die Menschen hier so liebenswert sind.“
Die Freundinnen setzten sich auf eine der schmalen Bänke.
„Ich bin dankbar, hier unterwegs sein zu dürfen“, flüsterte
Sabine ihrer Freundin ins Ohr.
Andrea nickte zustimmend.
Die alten Augen des Kirchendieners strahlten vor Freude, als
er ihnen zum Abschied die Hand drückte und „buen Camino“ wünschte.
Der Weg nach Sahagun führte teilweise neben der Straße her.
Immer wieder gab es Bäume, die herrlichen Schatten spendeten und deren Grün den
Augen wohltat, weil sie die Welt in den vergangen Tagen ausschließlich in
gelben und braunen Tönen gesehen hatten.
Die einst bedeutsame Stadt Sahagun war eine willkommene
Unterbrechung auf dem Weg durch die landwirtschaftliche Gegend. Die Freundinnen
bummelten unter den schattigen Arkaden durch die Einkaufsstraße und waren
begeistert von den romanischen Bauwerken aus roten Backsteinen. Der arabische
Einfluss gab
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