Eine Socke voller Liebe
lassen, dieser Kinderficker. Sonst polier ich ihm seine Glatze.
Aber kräftig!“
Sie will etwas erwidern, aber da kommt ein riesiger Laster
auf sie zugefahren. Markus springt zur Seite und verschwindet in der Tiefe .
Na gut, denkt sie, dann eben nicht und schaut hinunter in
das schwarze Loch. Vor ihren Füßen tauchen zwei Hände auf, die den Felsen
umklammern. Zwischen den Händen erscheint ein Cowboyhut, und Max zieht sich lachend
zu ihr hoch .
„Hast du Markus nicht gesehen?“, fragt sie ihn, „er muss
auch da unten sein.“
Max zuckt mit den Schultern und verschwindet wieder .
Abermals versucht sie, mit ihren Augen die tiefe
Dunkelheit zu durchdringen und entdeckt Markus. Er liegt friedlich auf einer
Matratze und schläft. Ja klar, er war in den Keller gegangen, hatte mit der
Carrerabahn gespielt und einen großen Kran aus dem Technikbaukasten
zusammengeschraubt. Das hätte sie wissen müssen. Er ging doch meistens in den
Keller, wenn er verärgert war .
Plötzlich hört sie ein keckerndes Lachen. Im Regal hinter
der Matratze erscheint ein roter Haarschopf. Er gehört einem kleinen Kobold,
der Flaschen auf den Fußboden wirft. Pumuckel! Nein, er sieht aus wie Max. Sie
hat ihn genau erkannt .
Jetzt fängt er an zu singen: „Pumuckel hat’s nicht
versteckt, aber alles entdeckt! Haha!!“ Er hüpft in Windeseile von einem
Regalbrett zum anderen und lacht sein schadenfrohes Lachen, wenn die Flaschen
auf dem Fußboden zersplittern und die Flüssigkeit in die Luft spritzt .
Sabine hat große Lust mitzumachen. Sie greift sich
ebenfalls eine Flasche und knallt sie mit Wucht auf den Boden. Jetzt werfen sie
abwechselnd und kichern dabei um die Wette. Das ist ein Klirren und Spritzen,
das es nur so kracht! Es macht ihr wahnsinnig viel Spaß, und sie freut sich wie
ein Kind über die vielen Scherben .
Mit einem Satz springt der Kobold vom Regal hinunter und
nimmt sie in den Arm. Sie lacht ihn fröhlich an und sieht in Max spitzbübisches
Gesicht .
Sie erwachte von ihrem eigenen Gelächter. ‚So ein Blödsinn‘,
dachte sie grinsend, drehte sich um und schlief weiter.
30.
Herausforderungen
Andrea wurde vom Zuschlagen einer Tür geweckt. Sie stellte
fest, dass sie nur noch mit Sabine allein im Zimmer war. Alle anderen hatten
das Refugio bereits verlassen.
„Wie spät ist es denn?“ fragte Sabine verschlafen.
„Acht Uhr. Oje, hat Felipe gestern Abend nicht gesagt, dass
es nur bis acht Frühstück gibt?“
„Dann sollten wir uns beeilen. Menschenskind, wo soll das
denn noch hinführen, wenn wir jetzt jeden Morgen verpennen?“, argwöhnte Sabine.
Felipe lachte, als die beiden Frauen in seiner Küche
erschienen und schenkte ihnen Kaffee ein.
„Ist doch schön, dass ihr so gut geschlafen habt“, meinte er,
„ihr habt heute schließlich eine anstrengende Strecke vor euch.“
Andrea und Sabine verabschiedeten sich nach dem Frühstück von
dieser außergewöhnlichen Familie und liefen weiter auf ihrem Weg.
„Ich habe den Eindruck, dass der Jakobsweg manche Menschen
dazu bringt, ihr Leben zu verändern und ihnen Mut macht, ihren Traum zu leben“,
überlegte Sabine, während sie neben Andrea am Fluss entlang durch einen grünen
Laubwald wanderte.
„Ja, du hast Recht. Der Weg verändert nicht die Menschen,
sondern die Menschen, die ihn gehen, verändern ihren Weg. Vielleicht, weil sie
merken, dass das einfache Leben sehr bereichernd sein kann, wenn man es so will
und es wagt“, ergänzte Andrea ihre Überlegungen.
Ein Schild am Straßenrand zeigte an, dass hier die Region
Galicien begann, die heute eine der ärmsten Gebiete Spaniens ist. Hauptstadt
dieses geheimnisvollen Landstrichs, in dem viele alte Kulturen ihre Spuren
hinterlassen haben und auch heute noch mystische Geschichten und Bräuche
existieren, ist Santiago de Compostela.
Die Frauen betraten eine winzige, uralte Dorfkirche, die
zwischen modernen Wohnblocks am Straßenrand stand. Beim Betreten fiel ihr Blick
zuerst auf viele bunte Sommerblumen, die den kleinen Raum mit ihrem Duft
erfüllten. Auf dem Altar standen in kleinen, verwitterten Holznischen bunte
Heiligenfiguren, von denen die Farbe abblätterte. Der uralte, halb zerfallene,
hölzerne Beichtstuhl, der auf wackeligen Füßen neben dem aus Sandstein
gehauenen Taufbecken stand, hatte ein Lochmuster von den vielen Holzwürmern,
die darin hausten. Der Putz bröckelte von den schimmeligen Wänden. Nur die
Holzdecke war neu und die zehn Stühle, die die fehlenden
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