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Eine Spur von Lavendel (German Edition)

Eine Spur von Lavendel (German Edition)

Titel: Eine Spur von Lavendel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schomann
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Ich muss morgen ziemlich früh aus den Federn.“
    Erleichtert und körperlich leicht angeschlagen blickten Alexander und sein Kollege Roland Wagner dem Streifenwagen hinterher, in dem – nach einigen Schwierigkeiten – nun endlich ein junger Mann saß, der noch vor wenigen Minuten getobt hatte wie ein wild gewordener Stier in einer spanischen Arena. Alexanders alte Lederjacke war am rechten Ärmel eingerissen, und Roland Wagner presste sich ein Taschentuch auf eine blutende Wunde am Kinn.
    „Das war verdammt knapp“, schnaubte Wagner. „Meine Güte, ich werde alt. Woher hatte der Typ bloß auf einmal das zweite Messer?“
    Alexander zuckte mit den Schultern und warf noch einmal einen Blick auf das junge Opfer, das einige Meter hinter ihnen auf dem nassen Asphalt lag.
    Das Mädchen war ohne Zweifel eine echte Schönheit gewesen. Dicke nasse Strähnen ihres schwarzen, mindestens hüftlangen Haares bedeckten den zierlichen, gerade ausgereiften Körper. Ihrem schmalen Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen sah man noch im Tod die rassige Schönheit an, die verbunden mit der noch kindlichen Sanftheit eine fatale Kombination abgab und in Alexander sofort das Bild einer temperamentvollen, unbekümmerten Person mit einer ungewollt magischen Anziehungskraft auf das männliche Geschlecht heraufbeschwor.
    In seinem Magen verspürte er das gewohnte flaue Gefühl, und wie jedes Mal, wenn er auf den Leichnam eines Menschen blickte, versuchte er, das Brennen von bitterer Galle in seinem Rachen mit Unmengen von starken Pfefferminzpastillen zu vertreiben. Alle paar Minuten schob er sie sich in den Mund.
    Kaum älter als Charlie, ging es ihm durch den Kopf.
    „Wenn die Jungs von der Spurensicherung hier fertig sind, kann sie abtransportiert werden“, sagte er zu einem der uniformierten Beamten und wandte sich wieder Roland Wagner zu.
    „Ist der andere Junge schon weg?“
    Wagner nickte. „Zum Glück hat er nur den kleinen Kratzer am Arm abgekriegt. Der Arzt hat ihm lediglich einen Verband angelegt und uns dann grünes Licht gegeben. Willst du ihn übernehmen, Alex?“
    „Ja, ich vernehme ihn, sobald wir wieder an der Dienststelle sind. Schick du noch mal einen Kollegen von der Schutzpolizei zu der Frau, die uns benachrichtigt hat. Sie sollte wissen, dass durch ihr schnelles Handeln höchstwahrscheinlich ein anderes junges Menschenleben gerettet wurde – und dann schnappst du dir Kroning und fährst zu den Eltern.“
    Erneut nickte Wagner und warf noch einen Blick auf das tote Mädchen, das nun endlich mit einer Plane abgedeckt wurde. „Man gewöhnt sich einfach nie daran.“
    Alexander schob sich eine weitere Pfefferminzpastille zwischendie Lippen und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. „Das ist auch gut so.“
    Weitere zwei Stunden später war der größte Teil der Arbeit erledigt, und Alexander räumte seinen Schreibtisch auf, um endlich nach Hause zu fahren. Es war weiß Gott keiner von den einfachen Tagen gewesen. Ein junges türkisches Mädchen war ums Leben gekommen, weil ihr Bruder nicht ertragen konnte, dass seine Schwester sich in einen deutschen Jungen verliebt hatte. Die verzweifelten Eltern hatten an einem einzigen verhängnisvollen Abend praktisch gleich zwei Kinder verloren.
    Wieder dachte Alexander automatisch an Charlotte – und auch an das Kind, oder die Kinder, die Linda und er sich noch wünschten und vielleicht irgendwann haben würden. Jemand hatte mal gesagt, dass man durch den Tod der Eltern seine Vergangenheit, durch den Tod eines Kindes jedoch seine Zukunft verlieren würde. Er wusste nicht mehr, wo er diesen Satz gelesen oder gehört hatte. Doch er stellte fest, dass es plötzlich eine Angst in seinem Leben gab, die er bis jetzt in dieser umfassenden Form nicht gekannt hatte.
    Auf dem Flur traf er auf Tobias, der ebenfalls gerade aus seinem Büro kam. In stillem Einvernehmen verließen sie zusammen das Präsidium und gingen nebeneinanderher zum Parkplatz. „Alles brav erledigt vorm Urlaub, Herr Hauptkommissar?“, fragte der junge Beamte.
    Alexander steckte sich im Gehen eine Zigarette an. „Morgen bin ich schließlich auch noch mal hier. Nur kein Neid, Kollege.“ Seine Mundwinkel hoben sich. „Fährst du jetzt zu Kaminski?“
    Tobias nickte. „Rotkäppchen hat wirklich eine ganz miese Grippe. Linda hat der armen Kranken heute Mittag schon selbst gemachte Hühnersuppe vorbeigebracht. Mal sehen, ob der lästige Verehrer nun auch noch was für die leidende Patientin tun kann.

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