Eine Spur von Lavendel (German Edition)
Geschichte endete, Linda. Es war für Alexander sehr schlimm, und seine Trauer und Enttäuschung über den Betrug brachen auch mir fast das Herz.“
Tief einatmend strich sich Claudine mit der Hand durchs Haar, dann fuhr sie fort: „Henri und Adrienne waren allerdings wirklich sehr ineinander verliebt. Das wurde mir spätestens bewusst, als sie zu mir zogen. Es ist schwer nachzuvollziehen und noch schwerer zu beschreiben, was mit den beiden passierte. Sie liebten sich leidenschaftlich, aber sie wurden einfach nicht glücklich miteinander. Da war Henris hitziges Temperament, das Adrienne immer mal wieder das Leben schwer machte, und dazu kam auch noch ihre fortschreitende Schwangerschaft. Ja, ich wusste schon damals, dass mein älterer Sohn der Vater des Kindes sein musste, aber ich gab Henris bitterem Drängen nach und beteiligte mich an dieser furchtbaren … Sache. Renys zweite Schwangerschaft brachte dann das Fass zum Überlaufen, weil nun auch sie die ganze Wahrheit erfuhr. Es war eine schreckliche Zeit, und ich glaubte schon, sie würden sich nun doch trennen. Das taten sie jedoch nicht.“
Unruhig stand Claudine auf und wanderte im Zimmer umher. „Eines Abends, Henri war für einige Tage zu einer Winzertagung in die Schweiz gefahren, brachte ich endlich den Mut auf, Adrienne zu fragen, warum sie überhaupt noch einmal mit Alexander ins Bett gegangen war. In dieser Nacht redete sie sich all ihren Kummer von der Seele.“
Angespannt rutschte Linda nach vorn, bis sie nur noch auf der äußersten Kante des Sofas saß. Sie wagte kaum zu atmen.
Claudine kehrte zurück und setzte sich wieder in ihren Sessel. Ihr Blick heftete sich erneut auf Lindas Gesicht. „Adrienne war von Anfang an von Henri fasziniert gewesen. Die Art, wie er ihr seine Zuneigung gezeigt, wie er um sie geworben hatte, hatte sie tief berührt. Oh ja, er konnte umwerfend charmant sein. Ich versuche es dir zu erklären, Linda. Adrienne verliebte sich zwar leidenschaftlichin Henri, aber sie liebte auch Alexander. Auf eine andere Art, die nicht unbedingt ruhigerer Natur war, im Gegenteil. Sie vertraute mir an, dass sie sich wahrscheinlich noch nicht einmal für Henri entschieden hätte, wenn Alexander nicht an diesem verhängnisvollen Tag früher nach Hause gekommen wäre. Aus eigener Kraft hätte sie diese Entscheidung niemals fällen können, sagte sie. Tatsächlich war sie hin und her gerissen zwischen den beiden Männern, und voller Zweifel.“
„Sie hat also beide geliebt. Henri und Alexander“, stellte Linda mit müder Stimme fest.
„Ja, das hat sie wohl.“ Claudine nickte, hob kurz ihre Hände und ließ sie dann wieder zurück in ihren Schoß fallen. „Nach unserem Gespräch verstand ich zumindest ansatzweise, warum sie es damals fertiggebracht hatte, sich auf Henri einzulassen, während sie auf der anderen Seite weiterhin mit Alexander lebte und offensichtlich seelenruhig ihre Hochzeit plante. Sie wollte unbedingt an Alexander festhalten, denn er verkörperte noch immer alles, was sie sich vom Leben und ihrer Zukunft erträumt hatte. Als Alexander die beiden zusammen erwischte, nahm er damit Adrienne die Entscheidung ab. Natürlich blieb ihr daraufhin nichts anderes übrig, als sich öffentlich zu Henri zu bekennen, denn sie wusste ja, dass es kein wirkliches Zurück mehr geben würde zu Alexander, selbst dann nicht, wenn er es zunächst zugelassen hätte. Oh, das ist wirklich schwer zu erklären, nicht wahr? Man muss Alexander schon gut kennen, um das zu verstehen.“
Nachdenklich sah Linda sie an, dann nickte sie bedächtig. „Stimmt. Alex geht Vertrauen über alles. Er wäre wohl niemals mehr richtig glücklich mit ihr geworden.“
„Adrienne liebte Henri wirklich. Manchmal jedoch schien sie die Sehnsucht nach Alexander regelrecht aus dem Nichts zu überfallen. Ich weiß nicht, was es letztlich war, das sie immer wieder zu ihm zog. Aber ich weiß, dass die körperliche Begegnung bei seinem ersten Besuch hier allein von ihr ausgegangen ist. Sie hat es mir selbst gestanden. Sie sagte, sie habe ihn regelrecht bedrängt. Außerdem war er damals nicht nur furchtbarbetrunken, sondern auch noch immer verliebt in sie. Sie hatte ein leichtes Spiel.“
Claudines Stimme klang nun etwas heiser. „Für mich grenzt es bis heute an ein Wunder, dass Alexander und Henri zu einer einigermaßen normalen Beziehung zurückfanden, denn der Bruch zwischen ihnen war doch gewaltig. Als Mutter war es grausam, mit ansehen zu müssen, was da mit
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