Eine Spur von Verrat
geduldigen Blick zu. »Damaris sagte soeben, daß Thaddeus zuweilen überaus hilfsbereit sein konnte. Das gerät manchmal in Vergessenheit, wenn wir so eifrig davon reden, was für ein tapferer Soldat er war.« Ihre Züge wurden erneut und ohne Vorwarnung von tiefer Ergriffenheit überspült. »Man sollte sich an sämtliche Qualitäten eines Menschen erinnern, nicht nur an die öffentlich bekannten«, schloß sie rauh.
»Selbstverständlich.« Randolf schaute sie verdrossen an. Er wußte sehr gut, daß man ihn kaltgestellt hatte, doch nicht inwiefern und noch weniger warum. »Das bestreitet ja auch niemand.«
Felicia hielt die Angelegenheit damit für hinreichend geklärt. Sie hatte ganz offensichtlich nicht die Absicht, ihm Hilfestellung zu leisten, wenn er nicht von selbst verstand. Die Ergriffenheit war verschwunden, ihr Mienenspiel wieder absolut beherrscht.
»Da Eifersucht, wie mein Mann bereits sehr richtig festgestellt hat, eine der schrecklichsten und unverständlichsten menschlichen Regungen ist, Miss Latterly«, sie wandte sich zu Hester um, »die einer Frau noch erheblich schlechter zu Gesicht steht als einem Mann, wüßten wir gern, worauf dieser Mr. Rathbone seine Verteidigung eigentlich aufzubauen gedenkt.« Sie maß Hester mit einem ähnlich kühlen, unerschrockenen Blick, wie sie ihn vermutlich vor dem Richter selbst an den Tag gelegt hätte. »Er ist hoffentlich nicht so unbesonnen, die Schuld woanders zu suchen und zu behaupten, sie hätte es gar nicht getan?«
»Das wäre sinnlos«, gab Hester zurück. Sie merkte, wie Cassian sie mit mißtrauischer, fast feindseliger Miene beobachtete. »Sie hat ein Geständnis abgelegt. Außerdem existieren unwiderlegbare Beweise für ihre Schuld. Die Verteidigung muß sich auf die Umstände, auf ihre Beweggründe stützen.«
»Oh, allerdings.« Felicias Brauen hoben sich bis zum Anschlag. »Und welcher Grund, glaubt dieser Mr. Rathbone, würde eine solche Tat entschuldigen? Und wie, bitte, gedenkt er es zu beweisen?«
»Das weiß ich nicht.« Hester erwiderte ihren Blick mit einer Selbstsicherheit, die meilenweit entfernt war von dem, was sie tatsächlich empfand. »Es ist nicht mein Privileg, über seine Vorgehensweise unterrichtet zu sein, Mrs. Carlyon. Ich bin an dieser Tragödie in keiner Weise beteiligt – höchstens als gute Bekannte von Edith und, wie ich hoffe, auch von Ihnen. Als ich Ihnen Mr. Rathbone empfohlen habe, wußte ich noch nicht, daß Alexandra die Tat zweifelsfrei begangen hat. Und selbst wenn ich es gewußt hätte, hätte ich nicht anders gehandelt. Sie braucht einen Anwalt, der sie vertritt, ganz gleich, in welcher Lage sie sich befindet.«
»Sie braucht gewiß niemanden, der sie dazu überredet, einen aussichtslosen Kampf zu führen«, versetzte Felicia eisig. »Oder sie zu der Annahme verleitet, sie könne ihrem Schicksal entfliehen. Es ist unnötig grausam, Miss Latterly, ein bereits bezwungenes Wesen zusätzlich zu quälen und seinen Tod hinauszuzögern, nur um die schaulustige Menge zu unterhalten!«
Hester stieg siedendheiß das Blut in die Wangen, aber ihre Gewissensbisse waren zu groß, als daß ihr ein Dementi eingefallen wäre. Schließlich kam Peverell ihr zu Hilfe.
»Würdest du alle Angeklagten sofort hinrichten lassen, Schwiegermama, um ihnen den eventuell schmerzhaften Kampf ums Überleben zu ersparen? Ich bezweifle, daß sie diesen Weg wählen würden.«
»Und woher willst du das wissen?« fragte sie in herausforderndem Ton zurück. »Vielleicht hätte Alexandra genau das vorgezogen. Nur hast du ihr diese Möglichkeit dank deiner Einmischung erfolgreich genommen.«
»Wir haben ihr einen Strafverteidiger vorgeschlagen«, erwiderte Peverell. Er hatte offenbar nicht die Absicht, das Feld so schnell zu räumen. »Wir haben ihr nicht vorgeschrieben, worauf sie plädieren soll.«
»Und warum nicht? Hätte sie auf schuldig plädiert, wäre diese ganze traurige Geschichte vielleicht schon vorbei. Jetzt werden wir der Verhandlung beiwohnen und unter Aufbietung unserer gesamten Würde Haltung bewahren müssen. Du wirst vermutlich aussagen, da du bei dieser unglückseligen Party zugegen warst?«
»Ja. Mir bleibt keine andere Wahl.«
»Für die Anklage?«
»Ja.«
»Nun, wenn du in den Zeugenstand gehst, bleibt Damaris hoffentlich davon verschont. Das wäre immerhin etwas. Von welchem Nutzen deine Aussage allerdings sein könnte, ist mir ein Rätsel.« Ihre Stimme besaß einen fragenden Beiklang. Hester, die ihr
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