Eine Spur von Verrat
leiseste Spur von Kritik durchscheinen. So etwas war häßlich, und das wollte sie um keinen Preis sein. »Es ging ihr in letzter Zeit natürlich nicht besonders gut«, fügte sie schnell hinzu. »Also haben wir es ihr verziehen. Es war peinlich, sonst nichts.«
»Sie hatten den Eindruck, daß es auf eventuell gefährliche Böswilligkeit hindeutete?« hakte Lovat-Smith scheinbar beunruhigt nach.
»Nein, überhaupt nicht.« Louia machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Wer erschien außerdem noch zu dem Dinner in Ihrem Haus?«
»Dr. Hargrave und seine Frau. Sie waren die letzten.«
»Sonst kam niemand an diesem Abend vorbei?«
»Nein.«
»Würden Sie uns nun bitte über den weiteren Verlauf der Ereignisse informieren, Mrs. Furnival?«
Sie zuckte überaus elegant mit den Schultern und lächelte schwach.
Hester forschte in den Gesichtern der Geschworenen. Sie waren eindeutig von Louisa fasziniert, was diese zweifellos wußte.
»Wir verbrachten eine Weile im Salon«, erklärte Louisa im Plauderton. »Wir sprachen über dieses und jenes, wie man das bei einer solchen Gelegenheit eben tut. Ich weiß nicht mehr, was genau gesagt wurde, nur daß Mrs. Carlyon einen Streit mit dem General anfing, den er nach Kräften zu vermeiden versuchte – aber sie schien wild entschlossen, es zum offenen Disput zu bringen.«
»Wissen Sie, worum es dabei ging?«
»Nein, es klang alles recht nebulös, eher nach einem lang angestauten, heimlichen Groll. Ich habe selbstverständlich nicht alles mitbekommen…« Sie ließ die Worte vornehm im Raum hängen, um die Möglichkeit rasender Eifersucht nicht völlig auszuschließen.
»Kommen wir zum Dinner, Mrs. Furnival«, fuhr Lovat-Smith fort. »War die schlechte Stimmung zwischen dem General und Mrs. Carlyon immer noch vorhanden?«
»Ja, ich fürchte schon. Ich ahnte damals natürlich nicht, daß es etwas Ernstes sein könnte…« Sie wirkte einen Moment lang zutiefst zerknirscht, über ihre unglaubliche Blindheit beschämt. Im Saal erhob sich mitfühlendes Gemurmel, die Köpfe drehten sich in Richtung Anklagebank. Einer der Geschworenen nickte verständnisvoll.
»Und nach dem Dinner?«
»Zogen sich die Damen zurück und ließen die Männer bei Portwein und Zigarren allein. Wir unterhielten uns unterdessen im Salon wieder über alles mögliche – nichts Besonderes, ein bißchen Klatsch, ein paar Meinungen über die derzeitige Mode und so weiter. Als die Männer sich später zu uns gesellten, nahm ich General Carlyon mit hinauf zu meinem Sohn, der ihn aus ganzem Herzen bewundert und immer einen guten Freund an ihm hatte.« Ein gequälter Ausdruck huschte über ihre makellosen Züge, woraufhin sich zum zweitenmal ein mitfühlendes, ärgerliches Summen aus der Menge erhob.
Hester schaute Alexandra an und entdeckte Kummer und Bestürzung in ihrem Blick.
Der Richter hob seine Lider und schaute über die Köpfe der Anwälte auf die Zuschauerschaft. Der Lärm hörte auf.
»Fahren Sie fort, Mr. Lovat-Smith«, forderte er den Staatsanwalt auf.
»Führte das zu irgendeiner Reaktion, Mrs. Furnival?« fragte dieser.
Louisa senkte beschämt den Blick, als mache es sie verlegen, es zugeben zu müssen.
»Ja. Ich fürchte, Mrs. Carlyon war überaus wütend. Damals dachte ich, sie wäre einfach nur gekränkt. Heute ist mir natürlich klar, daß es sehr viel tiefer ging.«
Oliver Rathbone erhob sich von seinem Platz.
»Einspruch, Euer Ehren. Die Zeugin…«
»Stattgegeben«, fiel der Richter ihm ins Wort. »Mrs. Furnival, Sie sollen uns lediglich mitteilen, was Ihnen am fraglichen Abend aufgefallen ist, nicht welche Rückschlüsse Sie aus späteren Ereignissen gezogen haben, ob nun zu Recht oder zu Unrecht. Damals war es für Sie das Verhalten einer gekränkten Frau, sonst nichts.«
Louisas Gesicht wurde hart, doch sie hütete sich, mit ihm zu streiten.
Mit einem knappen »Euer Ehren« nahm Lovat-Smith den Tadel zur Kenntnis. »Mrs. Furnival – Sie nahmen General Carlyon also mit nach oben zu Ihrem dreizehnjährigen Sohn, ist das richtig? Ausgezeichnet. Wann kehrten Sie wieder nach unten zurück?«
»Als mein Mann hochkam und sagte, Alexandra – Mrs. Carlyon wäre extrem aufgeregt, und die Party würde einen immer unangenehmeren Verlauf nehmen. Er bat mich, mit hinunterzugehen, um die Stimmung zu retten – was ich selbstverständlich tat.«
»General Carlyon blieb bei Ihrem Sohn?«
»Jawohl.«
»Was geschah dann?«
»Mrs. Carlyon ging nach oben.«
»In welchem Zustand befand
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