Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Tat, da war er, in einer herrlichen, scharlachrot eingefaßten Robe, auf dem Kopf eine weiße Perücke, die nur wenig voller war als die der Anwälte. Ein großer Mann mit breiter Stirn, feingeschnittener, kräftiger Nase, einem kräftigen Kinn und schönem Mund, aber erheblich jünger, als Hester erwartet hatte, was ihren Mut aus einem ihr selbst unverständlichen Grund sinken ließ. Einem väterlicheren Typ hätte sie mehr Mitgefühl zugetraut, einem großväterlichen sogar noch mehr. Sie merkte plötzlich, wie angespannt sie auf dem Rand der harten Bank hockte, vornübergebeugt, die Hände zusammengepreßt, die Schultern verkrampft.
    Die Wellen der Erregung schlugen immer höher, dann trat schlagartige Stille ein, als die Saaltür erneut aufging. Auf den Bänken hinter den Anwaltstischen reckten sich sämtliche Hälse, wurden alle Köpfe auf die Seite gedreht, mit Ausnahme einer einzigen schwarzgekleideten und vollkommen verschleierten Frau. Die Angeklagte wurde zur Anklagebank unterhalb der Galerie geführt.
    Selbst die Geschworenen mußten ihre Augen – scheinbar gegen ihren Willen – auf sie richten.
    Hester verfluchte die bauliche Aufteilung, die es unmöglich machte, von der Galerie aus die Anklagebank einzusehen.
    »Wir sollten dort unten sitzen«, sagte sie zu Monk und deutete mit dem Kopf auf die Bänke hinter den Plätzen der Anwälte.
    »Wir?« fragte er bissig. »Ohne mich würden Sie jetzt draußen vor der Tür stehen.«
    »Ich weiß – und ich bin Ihnen dankbar dafür. Trotzdem sollten wir versuchen, nach unten zu kommen.«
    »Dann müssen Sie nächstes Mal eine Stunde früher erscheinen.«
    »Werde ich, aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter.«
    »Was haben Sie vor?« flüsterte er sarkastisch. »Die Plätze hier aufgeben, verschwinden und versuchen, unten reinzukommen?«
    »Genau«, zischte sie zurück. »Was glauben Sie denn. Los, gehen wir!«
    »Machen Sie sich nicht lächerlich. Am Ende stehen Sie mit leeren Händen da.«
    »Bitte – tun Sie, was Ihnen beliebt. Ich gehe.« Die Frau vor ihnen fuhr erbost herum. »Psst!«
    »Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Ma’am«, erwiderte Monk mit tödlicher Ruhe, packte Hesters Ellbogen und trieb sie an der Reihe protestierender Zuschauer vorbei vor sich her. Er bugsierte sie schweigend durch den Gang in die Halle hinaus und die Treppe hinunter bis zur unteren Saaltür. Dort ließ er sie endlich los.
    »So weit, so gut«, sagte er mit vernichtendem Blick. »Und jetzt?«
    Sie schluckte heftig, funkelte ihn böse an, drehte sich um und marschierte zur Tür.
    Fast im selben Moment erschien ein Aufseher und blockierte ihr den Weg. »Tut mir leid. Sie können da jetzt nicht mehr rein, Miss. Ist völlig überfüllt. Sie hätten früher kommen müssen. Bleibt Ihnen wohl keine andere Wahl, als es in der Zeitung zu lesen.«
    »Das wird kaum reichen«, entgegnete sie mit aller Würde, die sie aufbringen konnte. »Wir stehen im Dienst von Mr. Rathbone, dem Anwalt der Verteidigung, und sind direkt an dem Fall beteiligt. Das ist Mr. Monk.« Sie neigte andeutungsweise den Kopf. »Er arbeitet mit Mr. Rathbone zusammen, und Mr. Rathbone wird sich höchstwahrscheinlich im Laufe der Beweisaufnahme mit ihm beraten müssen. Ich begleite ihn.«
    Der Aufseher sah über ihren Kopf hinweg zu Monk. »Stimmt das, Sir?«
    »Selbstverständlich stimmt es«, gab Monk ohne mit der Wimper zu zucken zurück, während er eine Visitenkarte aus der Westentasche zog.
    »Na schön, gehen Sie schon rein«, sagte der Mann vorsichtig.
    »Aber nächstes Mal kommen Sie gefälligst etwas früher, ja?«
    »Mit Sicherheit. Entschuldigen Sie bitte«, erwiderte Monk diplomatisch. »Uns ist etwas dazwischen gekommen.«
    Damit schob er Hester vor sich her in den Saal, ohne seine letzten Worte näher zu erläutern, und ließ den Aufseher die Tür wieder hinter ihnen zuziehen.
    Aus dieser Perspektive wirkte der Gerichtssaal vollkommen anders. Der Richterstuhl schien höher und ehrfurchtgebietender zu sein, der Zeugenstand merkwürdigerweise verwundbarer, die Anklagebank ausgesprochen eingekapselt, als stünde sie in einem großen Käfig mit hochaufragenden Holzwänden.
    »Setzen Sie sich«, blaffte Monk.
    Hester quetschte sich gehorsam auf das Ende der nächstliegenden Bank, was die bereits darauf Sitzenden zwang, unangenehm dicht zusammenzurücken. Monk mußte so lange stehen bleiben, bis jemand gnädigerweise einen Platz für ihn freimachte, um sich eine Reihe weiter hinter

Weitere Kostenlose Bücher