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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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General Carlyons Arzt?«
    »Auch das habe ich bereits gesagt.«
    »In der Tat. Und Sie haben darüber hinaus die wenigen Gelegenheiten aufgezählt, bei denen er Ihrer ärztlichen Kunst bedurfte. Er scheint sich ausgezeichneter Gesundheit erfreut zu haben, und die Verletzungen, die er sich in Ausübung seiner Vaterlandspflicht zugezogen hatte, wurden selbstverständlich von den jeweiligen Armeeärzten versorgt.«
    »Sie konstatieren das Offensichtliche.« Hargraves Lippen wurden schmal.
    »Für Sie mag durchaus offensichtlich sein, weshalb Sie die eine spezielle Wunde, um die Sie sich kümmern mußten, nicht erwähnt haben, aber mir ist es leider entgangen«, bemerkte Rathbone mit der Andeutung eines Lächelns.
    Hargrave befand sich zum erstenmal sichtlich in Verlegenheit. Er öffnete den Mund, sagte nichts und machte ihn wieder zu.
    Seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Im Saal war es mucksmäuschenstill.
    Rathbone ging ein paar Schritte und drehte sich wieder um.
    Die Spannung im Raum wurde fast greifbar. Die Geschworenen rutschten kaum merklich auf ihren Bänken herum.
    Hargraves Miene verschloß sich, aber er wußte, daß er an einer Antwort nicht vorbeikam.
    »Es war ein Haushaltsunfall, noch dazu ein recht dummer«, sagte er und zuckte wegwerfend mit den Schultern, was zugleich erklären sollte, warum er es unterschlagen hatte. »Er verletzte sich beim Reinigen eines Zierdolches. Er rutschte ihm aus und streifte seinen Oberschenkel.«
    »Waren Sie dabei?« erkundigte sich Rathbone im Plauderton.
    »Äh – nein. Ich wurde ins Haus gerufen, weil die Wunde ziemlich stark blutete. Natürlich wollte ich wissen, was geschehen war, und er erzählte es mir.«
    »Dann wissen Sie es also vom Hörensagen?« Rathbone hob skeptisch die Brauen. »Tut mir leid, Doktor, das reicht nicht. Es kann wahr gewesen sein – aber genausogut auch nicht.«
    Lovat-Smith erhob sich von seinem Platz.
    »Ist das wirklich von Belang, Euer Ehren? Ich begreife ja, daß mein verehrter Herr Kollege versucht, die Geschworenen von Dr. Hargraves Aussage abzulenken, ihn irgendwie in Mißkredit zu bringen sogar, aber das geht nun doch zu weit. Er verschwendet kostbare Zeit und dient damit keinerlei Zweck.«
    Der Richter schaute Rathbone an.
    »Verfolgen Sie ein bestimmtes Ziel, Mr. Rathbone? Falls nicht, muß ich Sie dringend auffordern, aufzuhören.«
    »O doch, Euer Ehren«, gab Rathbone mit mehr Überzeugung zurück, als er Monks Ansicht nach empfinden konnte. »Ich glaube, die Verletzung ist für den Fall von gravierender Bedeutung.«
    Lovat-Smith drehte sich um und kehrte mit einer theatralischen Geste die Handflächen zur Decke.
    Irgendwo im Saal ertönte ein albernes Kichern, das sogleich unterdrückt wurde. Hargrave seufzte.
    »Würden Sie die Verletzung bitte beschreiben, Doktor«, fuhr Rathbone fort, »Es handelte sich um einen tiefen Schnitt an der Vorderseite des Oberschenkels, der leicht nach innen führte, genauso, wie wenn einem beim Reinigen ein Messer ausrutscht und aus der Hand fällt.«
    »Tief? Wie tief – drei Zentimeter, vier, fünf sogar? Und wie lang, Doktor?«
    »Etwa dreieinhalb Zentimeter an der tiefsten Stelle und ungefähr zehn Zentimeter lang«, erwiderte Hargrave mit deutlich zur Schau gestelltem Überdruß.
    »Eine recht ernste Verletzung. Und in welcher Richtung ist sie verlaufen?« fragte Rathbone mit vollendeter Unschuldsmiene.
    Hargrave stand mit aschfahlem Gesicht da und schwieg. Alexandra beugte sich zum erstenmal seit Prozeßbeginn etwas vor, als ob nun doch noch ein paar Worte gefallen wären, mit denen sie nicht gerechnet hatte.
    »Beantworten Sie bitte die Frage, Dr. Hargrave«, schaltete sich der Richter ein.
    »Sie – äh – sie führte… nach oben«, sagte Hargrave unbeholfen.
    »Nach oben?« Rathbone blinzelte. Selbst wenn man ihn nur von hinten sah, taten seine Schultern deutlich seinen Unglauben kund, als nähme er an, nicht richtig verstanden zu haben. »Soll das heißen… sie verlief vom Knie in Richtung Lende, Dr. Hargrave?«
    »Ja.« Hargraves Antwort war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Was haben Sie gesagt? Würden Sie es bitte noch einmal wiederholen, damit die Geschworenen Sie hören können?«
    »Ja!« wiederholte Hargrave grimmig.
    Die Geschworenen standen vor einem Rätsel. Unruhig rutschten sie auf ihren Plätzen herum. Sie hatten keine Ahnung, wie sie die Neuigkeit bewerten sollten, aber sie erkannten Nötigung, wenn sie ihr begegneten, und weder Hargraves Zögern noch seine

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