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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Rolle!«
    »Bitte, beantworten Sie die Frage.« Rathbone blieb hart. »Sie wissen sicher noch, ob Sie Stoff aufschneiden mußten, um an die Wunde zu gelangen.«
    Der Arzt machte Anstalten, etwas zu sagen, hielt inne und schwieg. Er war leichenblaß.
    »Ja?« fragte Rathbone geduldig.
    »Mußte ich nicht.« Hargrave schien sich wieder unter Kontrolle zu haben. »Er war bereits entfernt worden. Der General trug lediglich seine Unterwäsche.«
    »Aha. Keine blutdurchtränke Hose also?« Rathbone zuckte beredt mit den Schultern. »Folglich hatte ihn wohl schon jemand teilweise versorgt? Lagen seine Kleidungsstücke in der Nähe herum?«
    »Nein – ich glaube nicht. Mir ist nichts aufgefallen.«
    Rathbone runzelte die Stirn, dann schien ihm plötzlich ein ganz neuer Gedanke in den Kopf zu kommen.
    »Wo hat dieser – Unfall – stattgefunden, Dr. Hargrave?« Hargrave zögerte. »Ich – ich bin nicht sicher.«
    Lovat-Smith stand auf. Der Richter blickte ihn an und schüttelte leicht den Kopf.
    »Falls Sie die Frage als unerheblich beanstanden wollen, Mr. Lovat-Smith, dürfen Sie sich die Mühe sparen. Sie ist es nicht. Ich würde selbst gern die Antwort darauf hören. Dr. Hargrave? Sie müssen sich doch erinnern. Mit einer solchen Verletzung, wie Sie sie beschrieben haben, kann er nicht weit gekommen sein. Wo war er, als Sie sich darum kümmerten?«
    »Im Haus von Mr. und Mrs. Furnival, Euer Ehren.«
    Ein aufgeregtes Raunen, gefolgt von einem Aufatmen, schwappte durch den Saal. Wenigstens die Hälfte der Geschworenen drehte sich nach Alexandra um, doch deren Miene stellte bloß völlige Verständnislosigkeit zur Schau.
    »Sagten Sie, im Hause von Mr. und Mrs. Furnival, Dr. Hargrave?« fragte der Richter mit offener Verwunderung.
    »Jawohl, Euer Ehren«, erwiderte Hargrave betreten.
    »Mr. Rathbone, bitte, fahren Sie fort«, wies der Richter ihn an.
    »Gern, Euer Ehren.« Rathbone machte alles andere als einen irritierten Eindruck; er wirkte sogar erstaunlich ruhig. »Der General säuberte dieses Messer also im Haus der Furnivals?«
    »Ich glaube schon. Man sagte mir, er hätte es dem jungen Valentine gezeigt. Es war eine Rarität. Vermutlich wollte er ihm demonstrieren, wie es benutzt wird – oder etwas in der Art.«
    Wieder machte sich nervöses Kichern breit. In Rathbones Züge trat ein Ausdruck von ungestümer Erheiterung, aber er verbat sich die entsprechende Bemerkung. Statt dessen vollführte er zur Überraschung aller einen Gedankensprung.
    »Sagen Sie, Dr. Hargrave – was hatte der General an, als er wieder nach Hause ging?«
    »Dieselben Kleidungsstücke, in denen er gekommen war, natürlich.«
    Rathbones Brauen schossen nach oben. Hargrave bemerkte seinen Patzer zu spät.
    »Ach wirklich?« Rathbones Stimme triefte vor Verblüffung.
    »Inklusive der zerrissenen und blutverschmierten Hose?« Hargrave gab keine Antwort.
    »Soll ich Mrs. Sabella Pole noch einmal in den Zeugenstand rufen, die sich recht deutlich an diesen Zwischenfall erinnert?«
    »Nein, nicht nötig.« Hargrave war gründlich verärgert. Seine Lippen bildeten einen dünnen Strich, sein Gesicht war blaß und hart. »Die Hose war vollkommen intakt – und auch nicht blutverschmiert. Ich habe heute keine Erklärung dafür, und ich habe auch damals nicht danach gefragt. Es ging mich nichts an. Meine Aufgabe bestand lediglich darin, die Wunde zu versorgen.«
    »In der Tat«, pflichtete Rathbone ihm mit einem winzigen, unergründlichen Lächeln bei. »Ich danke Ihnen, Dr. Hargrave. Ich habe keine weiteren Fragen.«
    Der nächste Zeuge war Evan, in seiner Funktion als Polizeibeamter. Seine Aussage verlief wie vorhergesehen und offenbarte Monk nichts Neues. Er beobachtete Evans sensibles, bedrücktes Gesicht, während dieser wiedergab, wie er zu den Furnivals gerufen worden war, die Leiche gesehen, den unausweichlichen Schluß gezogen und alle Betroffenen vernommen hatte. Die Erinnerung setzte ihm offenkundig zu.
    Monks Gedanken schweiften ab. Rathbone konnte mit dem, was er in der Hand hatte, kaum eine Verteidigung aufbauen, wie brillant sein Kreuzverhör auch sein mochte. Die Hoffnung, er könnte auch nur einen der Carlyons durch Tricks oder Druck dazu bewegen, in aller Öffentlichkeit zuzugeben, daß sie von Cassians Mißbrauch durch seinen Vater wußten, war absurd. Er hatte sie draußen in der Halle sitzen sehen, gekleidet in feierliches Schwarz, die Schultern kerzengerade, die Gesichter in ihrem Schmerz würdevoll und gefaßt – entschlossen

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