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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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war das sowieso lange vor dem Mord, noch ehe sie alle zum Dinner gegangen sind. Und bis dahin war ja noch nichts Sonderbares passiert.«
    »War es, bevor Mrs. Erskine nach oben ging?«
    »Das weiß ich nun beim besten Willen nicht, Sir. Ich weiß bloß, daß Robert aus der Küche kam und über die Hintertreppe nach oben wollte, weil er für Mrs. Braithwaite – das ist unsere Haushälterin – etwas erledigen sollte. Im Flur stieß er fast mit dem General zusammen, blieb erst wie angewurzelt stehen, ließ dann die Wäsche, die er auf dem Arm hatte, einfach auf den Boden fallen und kam in die Küche zurückgerannt, als ob der Leibhaftige persönlich hinter ihm hergewesen wäre. Die ganze Wäsche mußte noch mal neu aussortiert und zum Teil frisch gebügelt werden. Die Waschfrau war nicht gerade begeistert, das können Sie mir glauben.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Und er? Er sagte kein Wort mehr, wurde einfach weiß wie die Wand und stumm wie ein Fisch. Vielleicht hatte er ja eine Grippe in den Knochen, oder so. Diese jungen Leute benehmen sich manchmal ziemlich merkwürdig.«
    »Er war Trommler, haben Sie gesagt? Dann muß er zweifellos so manchen schlimmen Anblick gewöhnt gewesen sein.«
    »Da können Sie Gift drauf nehmen. Ich war zwar nie selbst beim Militär, aber ich kann’s mir lebhaft vorstellen. Jedenfalls hat er in der Zeit eine Menge gelernt. Die haben ihm beigebracht, wie man gehorcht, und daß man vor seinen Vorgesetzten Respekt zu zeigen hat. Er ist ein guter Kerl. Er wird so was bestimmt nie wieder tun.«
    »Nein. Mit Sicherheit nicht.« Monk zerbrach sich den Kopf nach einer Möglichkeit, wie er an den Jungen herantreten, was er zu ihm sagen könnte, und dachte sofort an die Scham und die tiefe Verlegenheit, die das bei ihm auslösen mußte. Mit einem flauen Gefühl im Magen angesichts der Entscheidung zwischen seinem Pflicht– und seinem Ehrgefühl, kam er schließlich zu einem Entschluß. »Danke vielmals, Mr. Diggins, Sie waren mir eine große Hilfe. Ich weiß Ihre Offenheit sehr zu schätzen.«
    Wenig später stand Monk draußen auf der Straße; seine Unschlüssigkeit zerrte immer noch an ihm. Ein Trommler, der im selben Regiment gewesen war wie Carlyon, ihm dann unerwartet im Haus der Furnivals wiederbegegnet und die Flucht ergreift? Aus welchem Grund? In heller Panik, vor Entsetzen, vor Scham? Oder schlicht aus Unbeholfenheit?
    Nein – er war Soldat gewesen, wenn er damals auch nicht viel älter gewesen sein konnte als ein Kind. Er hätte nicht einfach die Wäsche fallen lassen und ohne Erklärung das Weite gesucht, nur weil er in einen Gast gelaufen war.
    Hätte er nicht so leicht aufgeben sollen? Und wenn ja, mit welchem Ziel? Damit Rathbone ihn in den Zeugenstand schleifte und dazu brachte, vor dem Gericht einen Seelenstrip abzulegen? Was wäre dadurch bewiesen? Nur, daß Carlyon tatsächlich ein Kinderschänder war. Konnte man das nicht auch auf andere Weise erreichen, ohne diesen Jungen ganz zu zerstören und dazu zu zwingen, den Mißbrauch durch seine Schilderung noch einmal erleben zu müssen – und das in aller Öffentlichkeit? Alexandra wußte ohnehin nichts davon, folglich konnte es ihre Tat nicht beeinflußt haben.
    Nein, sie mußten den dritten Mißbraucher finden und ihm sein Vergehen nachweisen. Wer war es – Maxim Furnival? Peverell Erskine? Beide Möglichkeiten erschienen ihm gleichermaßen abstoßend.
    Er ging etwas schneller, bog in die Albany Street ein und stand kurz darauf vor dem Haus der Carlyons. Seine Hatz erfüllte ihn nicht im mindesten mit Erregung; alles, was er spürte, war ein unangenehmer Druck auf dem Magen.
    Die Familie befand sich gesammelt im Gericht, teils um eine Zeugenaussage zu machen, teils um den Fortgang des Prozesses von der Galerie aus zu verfolgen. Monk klopfte an die Hintertür und fragte, ob er Miss Buchan sprechen könne. Er brachte es nicht über sich, die Worte auszusprechen, aber er schrieb ihr eine Nachricht, die besagte, er wäre ein Freund von Miss Hester Latterly und käme in ihrem Auftrag.
    Nach nur zehn Minuten, in denen er in der Waschküche nervös die Hacken aneinanderschlug, wurde ihm endlich Zutritt zum Haupthaus gewährt. Man führte ihn drei Treppenfluchten hinauf zu Miss Buchans kleinem Wohnzimmer, dessen Mansardenfenster einen großzügigen Blick über die Dächer bot.
    »Was gibt es denn, Mr. Monk?« fragte sie argwöhnisch.
    Er betrachtete sie interessiert. Sie ging auf die Siebzig zu, war sehr dünn und hatte ein

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