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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sehr großzügig von ihm«, bemerkte Monk mit einem flauen Gefühl im Magen. »Hast du noch mehr von ihm bekommen?«
    »Nein.« Doch die Augen des Jungen flogen sekundenschnell zu seiner Jacke, die auf einem Haken hinter der Tür hing. Aus einer der Innentaschen lugte gerade noch der Zipfel eines bunten Seidentuchs hervor.
    »Er muß dich wirklich sehr gern haben«, sagte Monk; er haßte sich selbst für seine Scheinheiligkeit. Cassian gab keine Antwort.
    Monk wandte sich wieder an Miss Buchan.
    »Vielen Dank.« Seine Stimme klang erschöpft. »Das war’s dann wohl.«
    Sie machte ein zweifelndes Gesicht. Seine Fragen zu den Geschenken hatten für sie offensichtlich keinerlei Aussagekraft; Peverell Erskine zu verdächtigen war ihr noch nicht in den Sinn gekommen. Vielleicht war das auch gut so. Er blieb noch einen kurzen Moment, fragte nach diesem und jenem, was ihm gerade einfiel, nach Leuten, Zeitpunkten, Besuchen, Gästen – lauter Belanglosigkeiten, aber sie lenkten von den Geschenken und ihrer tieferen Bedeutung ab.
    Dann verabschiedete er sich von dem Jungen, bedankte sich noch einmal bei Miss Buchan und verließ Carlyon House mit einer Erkenntnis, die ihn nicht glücklich machte. Der Sonnenschein und der Straßenlärm erreichten ihn nur wie aus weiter Ferne; das Gelächter von zwei sonnenschirmschwingenden Damen in rosaweißen Rüschen klang blechern, das Hufgetrappel der Pferde überlaut, das Knirschen der Wagenräder wie Zischlaute, das Geschrei eines Straßenhändlers nervtötend wie das Summen einer Schmeißfliege.
    Hester kehrte völlig erschlagen vom Gericht zurück und wußte Major Tiplady nur wenig zu berichten. Die diestägigen Zeugenaussagen hatten größtenteils nur Vorhersehbarkeiten ergeben. Als erster Zeuge hatte Peverell Erskine – mit einiger Überwindung bestätigt, welch ein prächtiger Mensch Thaddeus Carlyon gewesen war.
    Rathbone hatte weder versucht seine Aussage zu erschüttern, noch hatte er seine Ehrlichkeit oder die Stichhaltigkeit seiner Beobachtungen angezweifelt.
    Als nächste hatte Damaris Erskine auf die Frage nach ihrem Bruder hin auf ganzer Linie die Meinung ihres Mannes vertreten und seine Eindrücke bestätigt. Rathbone nahm sie nicht ins Kreuzverhör, behielt sich jedoch vor, sie zu einem späteren Zeitpunkt eventuell noch einmal aufzurufen, sollte das im Interesse der Verteidigung liegen.
    Nichts Neues war enthüllt worden. Der Groll der Menge auf Alexandra nahm allmählich an Intensität zu. Der General entsprach der Sorte Mann, die sie alle gern bewunderten: ein mutiger Mann mit Rückgrat, ein Mann der Tat ohne verrückte Ideen, ohne einen nervraubenden Sinn für Humor oder Ansichten, die sie nicht teilen konnten – beziehungsweise so gut verstanden, daß sie sich schuldig fühlen mußten –, ein perfekter Familienvater, dessen Ehefrau sich aus keinem vernünftigen Grund auf gemeinste Weise gegen ihn gewandt hatte. Solch eine Frau mußte hängen, um allen übrigen Frauen ein warnendes Beispiel zu sein, und zwar je eher, desto besser. Das flüsterte man sich den ganzen Tag hinter vorgehaltener Hand ins Ohr und sprach es laut aus, als das Gericht sich erhob und ins Wochenende ging.
    Es war ein frustrierender Tag gewesen. Als Hester in die Great Titchfield Street zurückkam, fühlte sie sich hundemüde und deprimiert. Der unausgesprochene Haß und das Unverständnis, das die Atmosphäre im Gerichtssaal spickte, machte ihr ebensoviel angst wie die Unausweichlichkeit, mit der die Dinge ihren Lauf nahmen. Gegen Ende ihrer Berichterstattung war sie den Tränen nahe. Selbst Major Tiplady konnte der momentanen Lage nichts Positives abgewinnen; das beste, was er zu bieten hatte, war die Ermahnung, den Mut nicht zu verlieren und unter Aufbietung aller Kräfte weiterzukämpfen, auch wenn ein Sieg scheinbar unerreichbar war.
    Am nächsten Morgen, einem Samstag, blies eine steife Brise von Osten, aber der Himmel war tiefblau, und die Blumen wiegten sich im Wind. Das Gericht hatte sich bis Montag vertagt, was eine kurze Verschnaufpause für sie alle bedeutete. Hester indes erwachte ganz und gar nicht mit einem befreiten Gefühl, sondern noch nervöser, weil sie lieber weitergemacht hätte, nun wo die Sache einmal ins Rollen gekommen war. Sie fand, daß es die Qual und Ohnmächtigkeit nur sinnlos verlängerte. Sie hätte sich erheblich besser gefühlt, wenn ihr irgend etwas eingefallen wäre, womit sie die Situation positiv beeinflussen konnte. Doch sosehr sie auch grübelte, es kam

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