Eine Spur von Verrat
einer Flügelspannweite über die Weltmeere gleitet, die zweimal so groß ist wie ein Mensch.« Er strahlte regelrecht angesichts dieser Wunder, die ihm zuteil geworden waren, und Hester verstand genau, weshalb Damaris ihn immer noch liebte wie am ersten Tag.
Sie erwiderte sein Lächeln und meinte: »Ich schlage Ihnen einen Handel vor, Mr. Erskine. Ich sage Ihnen alles, was ich über die Krim und Florence Nightingale weiß, wenn Sie mir alles über Vögel erzählen.«
Peverell stieß ein fröhliches Lachen aus. »Eine hervorragende Idee, aber ich muß Ihnen leider gestehen: Ich bin nur ein blutiger Laie.«
»Um so besser. Ich möchte es hören, weil es Spaß machen soll, nicht um belehrt zu werden.«
»Mr. Erskine ist Anwalt, Miss Latterly«, sagte Felicia mit hörbar eisigem Unterton, dann wandte sie sich an ihren Schwiegersohn: »Bist du bei Alexandra gewesen?«
Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Hester überlegte kurz, ob er Felicia nicht gleich informiert hatte, weil sie so rüde mit ihm umgesprungen war. Es wäre immerhin ein harmloser, aber wirkungsvoller Weg, sich zu behaupten, so daß sie ihn nicht vollständig unter bügeln konnte.
»Ja.« Er warf das Wort achtlos in den Raum, ohne sich beim Teetrinken stören zu lassen. »Heute morgen. Sie ist verständlicherweise ziemlich bedrückt, aber sie trägt es mit großer Tapferkeit und Würde.«
»Etwas anderes hätte ich von einer Carlyon auch nicht erwartet«, bemerkte Felicia verhältnismäßig scharf. »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Verzeihen Sie, Miss Latterly, aber es geht hier um eine Familienangelegenheit, die Sie kaum interessieren dürfte. Ich möchte wissen, wie es um sie steht. Geht es ihr gut? Hat sie alles, was sie braucht? Ich nehme an, Thaddeus hat alles geregelt und gut organisiert zurückgelassen?«
»Einigermaßen…«
Sie hob die Brauen. »Einigermaßen? Was in aller Welt meinst du damit?«
»Ich meine, daß ich alle vorbereitenden Maßnahmen getroffen habe und es von daher nichts gibt, das nicht zufriedenstellend geregelt werden könnte, Schwiegermama.«
»Zum gegebenen Zeitpunkt verlange ich, mehr darüber zu erfahren.«
»Dann wirst du Alexandra selbst fragen müssen, denn ich kann dir nicht mehr sagen«, erwiderte er mit einem ausdruckslosen und völlig unkommunikativen Lächeln.
»Mach dich nicht lächerlich! Natürlich kannst du!« Ihre großen blauen Augen starrten ihn durchdringend an. »Du bist ihr Anwalt. Du mußt über alles Bescheid wissen.«
»Selbstverständlich.« Peverell stellte die Tasse ab und wich ihrem Blick nicht mehr ganz so nachhaltig aus. »Aber genau aus diesem Grund darf ich ihre Angelegenheiten mit niemand anderem diskutieren.«
»Er war mein Sohn, Peverell. Hast du das vergessen?«
»Jeder ist irgend jemandes Sohn, Schwiegermama«, gab er sanft zurück. »Was weder sein eigenes noch das Recht seiner Witwe auf Privatsphäre außer Kraft setzt.«
Felicias Gesicht war leichenblaß. Randolf zog sich tiefer in seinen Lehnstuhl zurück, als hätte er von alldem nichts gehört. Damaris saß reglos da. Edith behielt jeden von ihnen im Auge.
Doch Peverell ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Offenbar hatte er sowohl ihre Frage als auch seine Antwort darauf vorhergesehen. Ihre Reaktion kam für ihn nicht überraschend.
»Ich bin sicher, Alexandra wird alles, was die Familie betrifft, mit dir besprechen«, fuhr er fort, als wäre nichts geschehen.
»Die ganze Geschichte betrifft die Familie!« stieß Felicia mit angespannter, schneidender Stimme aus. »Die Polizei hat sich eingeschaltet. So absurd es auch scheinen mag, irgendwer in diesem unglückseligen Haus hat Thaddeus ermordet. Meiner Meinung nach war es Maxim Furnival. Ich habe ihn noch nie gemocht. Ich finde, es mangelt ihm in mancher Hinsicht an Selbstbeherrschung. Er hat Alexandra viel zuviel Aufmerksamkeit zukommen lassen, und sie war nicht vernünftig genug, ihn in seine Schranken zu verweisen! Manchmal kam es mir direkt so vor, als ob er sich eingebildet hätte, in sie verliebt zu sein – was auch immer das für einen Mann wie ihn bedeutet.«
»Ich habe nie mitbekommen, daß er etwas Anstößiges oder Hitziges getan hat«, warf Damaris ein. »Er mochte sie einfach.«
»Sei still, Damaris«, wies ihre Mutter sie zurecht. »Du weißt nicht, wovon du sprichst. Ich meine seinen Charakter, nicht seine Taten – das heißt, jedenfalls bis heute.«
»Wir wissen doch gar nicht, daß er ›heute‹ etwas getan hat«, appellierte Edith
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