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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Befriedigung.
    »Das machen wir.«
    Infolgedessen hatte Hester keine Schwierigkeiten, am nächsten Tag ein weiteres Mal ihre Pflichten vernachlässigen zu dürfen. Gleich nach dem Frühstück fuhr sie mit einem Hansom zur Kanzlei von Mr. Oliver Rathbone, den sie während der Ermittlungen im Mordfall Grey kennengelernt und einige Monate später, im Fall Moidore, wiedergetroffen hatte. Sie hatte ihm per Boten einen Brief geschickt (beziehungsweise Major Tiplady, denn er hatte den Boten bezahlt), in dem sie ihn bat, sie in einer äußerst wichtigen Angelegenheit anzuhören. Per Rückantwort wurde ihr mitgeteilt, Mr. Rathbone sei um elf Uhr am kommenden Morgen in seiner Kanzlei und könne sie zu dieser Zeit empfangen.
    So saß sie nun also um Viertel vor elf mit wild klopfendem Herzen in der Kutsche. Sie versuchte, die aufsteigende Nervosität niederzukämpfen. Was sie sich da herausnahm, war in der Tat dreist – nicht nur Alexandra Carlyon gegenüber, der sie noch nie begegnet war und die ihrerseits vermutlich auch kaum von ihr gehört hatte, sondern besonders bezüglich Oliver Rathbones. Ihre eigenartige Beziehung war im Grunde geschäftlicher Natur, denn sie war zweimal als Zeugin bei Fällen aufgetreten, in denen er die Verteidigung übernommen hatte. Im zweiten Fall, der von der Polizei bereits als abgeschlossen zu den Akten gelegt worden war, hatte Wiliam Monk die Untersuchungen weitergeführt. Zu beiden Fällen war Oliver Rathbone hinzugezogen worden.
    Die Verständigung zwischen ihm und ihr hatte zuweilen erstaunlich gut funktioniert, da sie für etwas eingetreten waren, woran sie beide zutiefst glaubten. Doch es waren auch Probleme aufgetaucht – immer dann nämlich, wenn ihnen bewußt wurde, daß sie ein Mann und eine Frau waren, die außerhalb der von der Gesellschaft vorgeschriebenen Verhaltensregeln ein gemeinsames Ziel verfolgten; nicht Anwalt und Klientin, nicht Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nicht befreundete Mitglieder derselben Klasse, und er ganz gewiß nicht ein Mann, der einer Frau den Hof macht.
    Dennoch ging ihre Freundschaft tiefer als die, die sie mit anderen Männern verbunden hatte, inklusive der Armeeärzte in Skutari; die einzige Ausnahme bildete vielleicht Monk, zumindest in den kurzen Pausen zwischen ihren Auseinandersetzungen. Zudem konnte sie eins nicht vergessen: Rathbones überraschenden, zärtlichen Kuß, an den sie immer noch mit einer Mischung aus wohligem Kribbeln und abgrundtiefer Einsamkeit zurückdachte.
    Wegen des starken Verkehrs auf High Holborn mußte die Kutsche immer wieder anhalten. Es war ein einziges Gewirr von Hansoms, Rollwagen und allen erdenklichen anderen Gefährten.
    Gebe Gott, daß Rathbone den rein geschäftlichen Hintergrund ihres Kommens sah. Er durfte auf keinen Fall denken, daß sie es auf ihn abgesehen hatte und eine Freundschaft erzwingen wollte, daß sie in seinen Kuß etwas hineininterpretierte, das von ihm nicht beabsichtigt war. Ihre Wangen brannten bei dem Gedanken an die furchtbare Demütigung. Sie mußte geschäftsmäßig auftreten, sich bemühen, nicht den leisesten Hauch von ungebührlichem Einfluß auszuüben, und noch weniger durfte es nach einem Flirt aussehen. Was eigentlich kein Problem sein sollte, denn selbst wenn ihr Leben davon abhinge, würde sie im Flirten eine absolute Versagerin sein was ihr ihre Schwägerin bereits unzählige Male bestätigt hatte. Könnte sie bloß wie Imogen sein, die durch ihre niedliche Hilflosigkeit stets erreichte, daß die Männer ihr helfen wollten. Es war ja gut und schön, selbständig zu sein, aber es brachte auch Nachteile mit sich, wenn man dieses Bild so überaus eindeutig vermittelte. Außerdem wirkte es nicht sonderlich anziehend – weder auf Männer noch auf Frauen. Männer hielten es für unschicklich, und Frauen empfanden es als diffuse Beleidigung.
    An diesem Punkt wurde sie in ihren Grübeleien unterbrochen, da der Hansom die Vere Street und somit Oliver Rathbones Kanzlei erreicht hatte. Sie stieg aus und bezahlte den Kutscher.
    Da sie nur noch fünf Minuten Zeit hatte, ging sie gleich nach oben und kündigte sich an.
    Wenige Minuten später tat sich die Tür auf, und Rathbone kam heraus. Er hatte sich überhaupt nicht verändert; die Präzision, mit der er ihrer Erinnerung entsprach, verblüffte sie sogar sehr. Er war eher durchschnittlich groß, hatte blondes, an den Schläfen leicht ergrautes Haar und dunkle Augen, die zwar sein Gespür für das Absurde und seinen Sinn für Humor verrieten,

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