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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der afghanischen Kriege von ‘39 bis ‘42. Manchmal erzählt er mir davon; es ist immer sehr interessant.«
    Randolf betrachtete sie mit milder Nachsicht, als wäre sie ein altkluges Kind.
    »Unsinn, meine liebe Miss Latterly. Es besteht nicht der geringste Grund, Interesse an militärischen Aktionen zur Schau zu stellen, nur um uns einen Gefallen zu tun. Mein Sohn ist erst vor kurzem ums Leben gekommen –«, sein Gesicht umwölkte sich, »– auf äußerst tragische Weise. Edith hat Ihnen bestimmt davon berichtet, aber wir bemühen uns, den Verlust tapfer zu tragen. Es ist nicht nötig, derart übertriebene Rücksicht auf unsere Gefühle zu nehmen.«
    Hester wollte spontan erwidern, daß ihr Interesse nicht im mindesten mit Thaddeus Carlyon zusammenhing und schon lange, bevor sie überhaupt von ihm gehört hatte, vorhanden gewesen war, doch dann überlegte sie, daß man es weder verstehen noch glauben, sondern höchstwahrscheinlich als beleidigend empfinden würde.
    Sie entschloß sich zu einem Kompromiß.
    »Geschichten über Mut und großen persönlichen Einsatz sind immer interessant, Colonel Carlyon. Ihr Verlust tut mir aufrichtig leid, aber ich hatte nicht einen Moment die Absicht, ein Interesse oder eine Hochachtung zur Schau zu stellen, die nicht vorhanden sind.«
    Für einen Augenblick schien er die Fassung zu verlieren. Seine Wangen färbten sich dunkelrot, sein Atem ging stoßweise, doch als Hester einen raschen Seitenblick auf Felicia warf, entdeckte sie einen Anflug von Anerkennung sowie eine Art finstere, schmerzliche Belustigung. Der Eindruck war allerdings zu flüchtig, als daß sie mehr tun konnte als staunen.
    Ehe eine Erwiderung zwingend nötig wurde, tat sich die Tür auf, und ein Mann kam herein. Auf den ersten Blick erweckte sein Verhalten einen beinah ehrerbietigen Eindruck, doch man merkte bald, daß er weder auf Beifall noch auf Bestätigung wartete. Er strahlte einfach nicht die geringste Spur von Überheblichkeit aus. Nach Hesters Schätzung war er nur wenige Zentimeter größer als Damaris, was für einen Mann immer noch ein ansehnliches Maß bedeutete. Er hatte eine durchschnittliche Figur, etwas runde Schultern vielleicht, ein unauffälliges Gesicht mit regelmäßigen Zügen, dunkle Augen und einen Schnurrbart, der die Lippen verdeckte. Er besaß die Aura eines unerschütterlich gutgelaunten Menschen, als würden ihn keinerlei heimliche Sorgen belasten und als wäre Optimismus ein fester Bestandteil seines Lebens.
    Als Damaris ihn erblickte, hellte ihre Miene sich schlagartig auf.
    »Hallo, Pev! Du siehst ganz verfroren aus – komm, trink eine Tasse Tee.«
    Er drückte im Vorbeigehen sanft ihre Schulter und ließ sich auf dem Stuhl neben ihr nieder.
    »Eine gute Idee, danke.« Er schaute lächelnd zu Hester hinüber, offensichtlich in der Erwartung, daß man sie ihm vorstellte.
    »Mein Mann«, sagte Damaris rasch. »Peverell Erskine. Pev, das ist Miss Latterly, Ediths Freundin. Sie war mit Florence Nightingale auf der Krim.«
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miss Latterly.« Er neigte den Kopf und sah sie interessiert an. »Hoffentlich langweilt es Sie nicht, immer wieder gebeten zu werden, von ihren Erlebnissen zu berichten. Wir wären Ihnen dennoch dankbar, wenn Sie es uns zuliebe täten.«
    Felicia schenkte Tee für ihn ein und reichte ihm die Tasse.
    »Später vielleicht, falls Miss Latterly uns wieder einmal besuchen sollte. Hattest du einen erfolgreichen Tag, Peverell?«
    Er schluckte die Abfuhr ohne jede ersichtliche Spur von Groll, fast als wäre sie ihm entgangen. Hester hätte sich herabgekanzelt und zurückgewiesen gefühlt – was wesentlich unergiebiger gewesen wäre, wie ihr mit gelinder Überraschung klar wurde, während sie Peverell Erskine beobachtete.
    Der nahm ein Gurkensandwich und aß es genüßlich auf, ehe er antwortete.
    »O ja, Schwiegermama, danke. Ich habe einen faszinierenden Mann kennengelernt, der vor zehn Jahren in den Maorikriegen gekämpft hat.« Sein Blick schwenkte zu Hester. »Das war in Neuseeland, wußten Sie das? Ja, natürlich wissen Sie es. Dort gibt es die phantastischsten Vögel – einzigartig auf der ganzen Welt und wirklich wunderschön.« Sein nettes Gesicht war voll Enthusiasmus. »Ich liebe Vögel, Miss Latterly. So eine Vielzahl! Ich mag sie alle, angefangen beim Kolibri, der nicht größer ist als mein kleiner Finger und scheinbar reglos in der Luft steht, um den Nektar aus einer Blüte zu saugen, bis hin zum Albatros, der mit

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