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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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diese Weise irgendwie um ihn zusammenfalten könnte.
    »Sie sollen nicht mit mir streiten«, gab er hartnäckig zurück.
    »Sie sollen lediglich auf der Anklagebank sitzen, in genau dem Zustand, in dem Sie sich jetzt befinden, und außer an Ihre Schuld auch an die Liebe zu Ihrem Kind denken – und daran, warum sie es getan haben. Ich werde den Geschworenen Ihre Gefühle schon klarmachen, verlassen Sie sich drauf!«
    »Tun Sie, was immer Sie möchen, Mr. Rathbone. Ich glaube nicht, daß ich noch in der Lage bin, die Situation richtig zu beurteilen.«
    »Das ist auch nicht nötig, meine Liebe.« Er stand auf, selbst völlig ausgebrannt, dabei war erst Montag, der neunundzwanzigste Juni. Die zweite Prozeßwoche hatte angefangen. Er mußte mit der Verteidigung beginnen.
    Die erste Zeugin der Verteidigung war Edith Sobell. Lovat-Smith saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, die Beine bequem übergeschlagen, den Kopf auf die Seite gelegt, als wäre er lediglich aus Gründen der Neugier zugegen. Er hatte dem Gericht Beweise vorgelegt, an denen nicht zu rütteln war, und wenn er sich so im Saal umblickte, entdeckte er nicht ein einziges Gesicht, das noch Zweifel verriet. Man war lediglich gekommen, um Alexandra und den Carlyonklan zu sehen, der einträchtig in der ersten Reihe saß. Die Frauen trugen Schwarz, Felicia war darüber hinaus dicht verschleiert. Steif und eckig saß sie neben ihrem offenkundig bedrückten, doch absolut gefaßten Mann Randolf.
    Edith trat in den Zeugenstand. Vor lauter Nervosität verhaspelte sie sich ein oder zweimal, während sie den Eid ablegte. Die blühende Frische ihres Gesichts und ihre aufrechte, entschlossene Haltung, die nichts von Felicias defensivem Gebaren an sich hatte, strafte ihre scheinbare Befangenheit jedoch Lügen.
    »Mrs. Sobell«, begann Rathbone höflich, »Sie sind die Schwester des Mannes, der diesem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, und die Schwägerin der Angeklagten?«
    »Jawohl.«
    »Kannten Sie Ihren Bruder gut?«
    »Nicht besonders. Er war einige Jahre älter als ich und trat der Armee bei, als ich noch ein Kind war. Nach seiner Rückkehr aus dem Militärdienst im Ausland hatten wir selbstverständlich wieder mehr Kontakt zueinander. Er wohnte nicht weit weg von Carlyon House, wo ich seit dem Tod meines Mannes lebe.«
    »Würden Sie mir den Charakter Ihres Bruders, bitte, so gut Ihnen das möglich ist, beschreiben?«
    Lovat-Smith stand auf.
    »Euer Ehren, das erscheint mir höchst unerheblich. Wir haben die Persönlichkeit des Toten bereits zur Genüge diskutiert. Er war ehrenhaft, fleißig, als Kriegsheld hochangesehen, seiner Frau treu ergeben, in Geldangelegenheiten besonnen und großzügig. Sein einziger Fehler scheint darin bestanden zu haben, daß er sich ein wenig wichtig genommen hat und seiner Frau nicht soviel schöne Worte und Unterhaltung zukommen ließ, wie es vielleicht von ihm erwartet wurde.« Er lächelte trocken und wandte den Kopf, damit die Geschworenen sein Gesicht sehen konnten. »Eine Unzulänglichkeit, derer wir uns vermutlich alle von Zeit zu Zeit schuldig machen dürften.«
    »Oh, zweifellos«, sagte Rathbone bitter. »Und falls Mrs. Sobell mit Ihrer Einschätzung übereinstimmt, würde es mich freuen, dem Gericht eine Wiederholung ersparen zu können. Mrs. Sobell?«
    »Ja, ich stimme damit überein«, bestätigte Edith, während sie erst Rathbone, dann Lovat–Smith ansah. »Außerdem verbrachte er sehr viel Zeit mit seinem Sohn Cassian. Er schien ein mustergültiger und liebevoller Vater zu sein.«
    »Richtig: er schien ein mustergültiger und liebevoller Vater zu sein.« Rathbone zitierte den letzten Satz bewußt Wort für Wort. »Und doch, Mrs. Sobell – was taten Sie, gleich nachdem Sie von seinem tragischen Tod sowie der Anklageerhebung gegen Ihre Schwägerin erfahren hatten?«
    »Auch das erscheint mir irrelevant, Euer Ehren«, protestierte Lovat-Smith. »Ich sehe ja ein, daß sich mein verehrter Herr Kollege in einer etwas ausweglosen Lage befindet, aber das geht entschieden zu weit!«
    Der Richter musterte Rathbone mit ernstem Blick.
    »Mr. Rathbone, ich bin durchaus bereit, Ihnen gegenüber eine gewisse Milde walten zu lassen, damit Sie die unter diesen höchst schwierigen Bedingungen bestmögliche Verteidigung abgeben können, aber ich erlaube nicht, daß Sie unsere Zeit verschwenden. Sorgen Sie dafür, daß die Antworten, auf die Sie hinzielen, für den Fall bedeutsam sind!«
    Rathbone konzentrierte sich wieder auf Edith.
    »Wir

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