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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Sein strahlendes Selbstvertrauen hatte sich davongemacht und nacktem Entsetzen das Feld geräumt.
    »Ich hoffe, mein verehrter Herr Kollege versucht nicht, den Streitpunkt zu verschleiern, indem er diese arme Frau sinnlos quält?« Er wandte sich von Rathbone zu Damaris um. »Der Tatbestand zeigt eindeutig, daß nur Alexandra Carlyon Gelegenheit hatte, den General zu ermorden. Welche Motive Mrs. Erskine auch gehabt haben könnte – wenn überhaupt –, sie hat das Verbrechen nicht ausgeübt.« Er drehte sich abermals um, so daß er nun halb zur Menge stand. »Diese gefühllose Zurschaustellung eines sehr privaten Unglücks ist doch wohl überflüssig?«
    »Wenn das so wäre, würde ich es nicht tun«, stieß Rathbone mit glühenden Augen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er wirbelte auf den Hacken herum und zeigte Lovat-Smith seine Kehrseite. »Mrs. Erskine, Sie haben gerade gesagt, Sie hätten es Ihrem Bruder nicht verübelt, daß er Ihren Sohn in die Obhut der Furnivals gab. Dennoch hatten Sie sichtlich Schwierigkeiten, sich unter Kontrolle zu halten, als Sie wieder hinunterkamen, und legten Maxim Furnival gegenüber unvermittelt eine Feindseligkeit an den Tag, die fast an Mordgier grenzte. Sie widersprechen sich doch!«
    »Ich – ich – habe…« Sie kniff die Augen so fest zusammen, daß sich ihr ganzes Gesicht verzog.
    Peverell löste sich ein Stück von seinem Platz.
    Edith preßte beide Fäuste gegen den Mund; ihre Fingerknöchel traten weiß hervor.
    Alexandra sah aus wie eine Marmorstatue.
    Monk spähte zur Galerie hinauf und entdeckte Maxim Furnival. Steif und starr saß er da, das dunkle Gesicht in grüblerische, dem Begreifen nahe Falten gelegt. Louisa an seiner Seite machte keinen Hehl aus ihrer wütenden Erbitterung.
    Monks Blick wanderte weiter zu Hester. Er sah ihre tiefe geistige Konzentration, als sie sich kurz zur Seite drehte, ohne Damaris aus den Augen zu lassen. Ihr Gesicht spiegelte eine solch starke innere Betroffenheit und Anteilnahme wider, daß ihm die Vertrautheit und zugleich Fremdartigkeit dieses Ausdrucks einen schmerzhaften Stich versetzten. Er versuchte, sich Hermione vorzustellen, doch ihr Bild begann bereits zu verblassen. Es fiel ihm schwer, sich an ihre Augen zu erinnern, und als es ihm schließlich doch gelang, waren sie strahlend und leer, absolut unfähig zu echtem Schmerz. Rathbone trat einen Schritt näher an Damaris heran. »Ich bedaure außerordentlich, Sie derart belasten zu müssen, Mrs. Erskine, aber es hängt zu viel davon ab, als daß mein Mitgefühl für Sie mich dazu verleiten dürfte, meine Verpflichtung gegenüber Mrs. Carlyon – und Cassian – zu vernachlässigen.«
    Damaris hob den Kopf. »Ja, ich verstehe. Ich wußte, daß mein Bruder Thaddeus als Kind sexuell mißbraucht worden ist. Wie Buckie – Miss Buchan – habe auch ich es einmal zufällig mitangesehen. Ich konnte diesen Ausdruck in seinen Augen, sein ganzes sonderbares Benehmen, nie mehr vergessen. Das gleiche entdeckte ich in Valentines Gesicht, und mir war auf der Stelle klar, daß auch er mißbraucht wird. Damals dachte ich, von seinem Vater – seinem Adoptivater Maxim Furnival.«
    Ein neuerliches Keuchen fuhr durch den Raum wie das Rascheln vom Wind geschüttelter Blätter.
    »Großer Gott! Nein!« schrie Maxim mit halb erstickter Stimme und sprang auf. Er war weiß wie die Wand. Louisa saß da wie eine Wachsfigur.
    Maxim fuhr herum und starrte sie an, doch sie behielt ihre erstarrte Haltung unerbittlich bei.
    »Sie dürfen sich meines aufrichtigen Mitgefühls sicher sein, Mr. Furnival«, sagte der Richter über den steigenden Geräuschpegel hinweg, »aber Sie müssen dennoch von Unterbrechungen absehen. Nichtsdestotrotz schlage ich Ihnen vor, juristischen Rat bezüglich dessen einzuholen, was immer sich hier noch ereignen wird. Nehmen Sie nun bitte wieder Platz, oder ich sehe mich gezwungen, Sie vom Gerichtsdiener entfernen zu lassen.«
    Wie betäubt und völlig geschlagen setzte Maxim sich hin; er wandte sich hilfesuchend an Louisa, die jedoch keinerlei Reaktion zeigte, als wäre sie zu entsetzt, um einen Ton herauszubringen.
    Oben auf der Galerie packte Charles Hargrave das Geländer; er schien große Lust zu haben, es in seine Einzelteile zu zerlegen.
    Rathbone richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Damaris.
    »Sie haben in der Vergangenheitsform gesprochen, Mrs. Erskine. Sie dachten damals, Maxim Furnival wäre der Täter. Ist irgend etwas geschehen, was Sie Ihre Meinung

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