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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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umgebracht hat. Sie muß dahintergekommen sein.«
    »Und diese sexuellen Übergriffe hörten nach dem Tod des Generals auf? Weshalb fanden Sie es dann nach wie vor erforderlich, den Jungen zu beschützen?«
    »Weil mir die Beziehung zwischen ihm und seinem Großvater auffiel, die Blicke, die Berührungen, die Scham und die innere Erregung. Es war haargenau dasselbe wie damals. Ich hatte Angst, daß sich das Ganze wiederholt.«
    Im Saal herrschte Totenstille. Man konnte beinahe das Ächzen der Korsetts hören, wenn die Damen Atem holten.
    »Ich verstehe«, sagte Rathbone leise. »Sie versuchten also nach Kräften, den Jungen davor zu bewahren. Warum haben Sie sich niemandem anvertraut? Wäre das nicht eine wesentlich wirkungsvollere Lösung gewesen?«
    Ein spöttisches Lächeln streifte ihr Gesicht und machte sich sogleich wieder davon.
    »Wer hätte mir wohl geglaubt?« Für den Bruchteil einer Sekunde wanderte ihr Blick zur Galerie, wo die reglosen Körper von Randolf und Felicia saßen, dann richtete sie ihn wieder auf Rathbone. »Ich bin eine Hausangestellte, die einen stadtbekannten und geachteten Gentleman eines der barbarischsten Verbrechen beschuldigt. Man hätte mich aus dem Haus gejagt, und dann wären mir vollends die Hände gebunden gewesen.«
    »Was ist mit Mrs. Felicia Carlyon, der Großmutter des Jungen? Hätte Sie nicht eine rettende Idee haben können? Warum haben Sie es ihr nicht erzählt?«
    »Sie sind wirklich naiv, Mr. Rathbone«, gab Miss Buchan müde zurück. »Falls sie keine rettende Idee gehabt hätte, wäre sie außer sich gewesen, hätte mich auf der Stelle vor die Tür gesetzt und dafür gesorgt, daß ich untergehe. Sie hätte es sich nicht leisten können, mich eine neue Anstellung finden zu lassen, denn dann hätte ich die Anschuldigung womöglich gegenüber ihren Standesgenossen oder gar Freunden wiederholt.
    Und falls sie selbst Bescheid wußte, hat sie sich offenbar entschlossen, es für sich zu behalten, um den guten Ruf der Familie zu retten. Sie hätte mir niemals erlaubt, ihn zu ruinieren. Wenn sie sich schon entschieden hat, damit zu leben, würde sie auch alles menschenmögliche tun, zu halten, wofür sie einen derart hohen Preis zahlen mußte.«
    »Ich verstehe«, sagte Rathbone noch einmal und schaute erneut in Richtung Geschworenenbank. Dort waren die meisten Hälse zur Galerie emporgereckt, die Gesichter finster und voll Abscheu. Dann richteten sich die Blicke auf Lovat-Smith, der mittlerweile ruhig und kerzengerade dasaß und tief in Gedanken versunken schien. »Sie blieben folglich in Carlyon House«, fuhr Rathbone fort, »und behielten es für sich, versuchten das Kind jedoch so gut wie möglich zu beschützen. Ich denke, wir alle können Ihre schwierige Lage begreifen – und bewundern Sie für den Mut, heute vorzutreten. Herzlichen Dank, Miss Buchan.«
    Lovat-Smith erhob sich schwerfällig. Er machte einen zutiefst unglücklichen Eindruck.
    »Ich bedaure es zutiefst, Miss Buchan«, begann er mit so viel Aufrichtigkeit, daß sie beinahe fühlbar war, »aber ich muß Sie doch etwas stärker unter Druck setzen, als mein verehrter Herr Kollege es getan hat. Die von Ihnen erhobene Beschuldigung ist abscheulich. Sie darf keinesfalls unangefochten im Raum stehen bleiben – es würde eine ganze Familie zerstören.« Er neigte den Kopf in Richtung Galerie, wo nun hin und wieder ein ärgerliches Gemurmel erscholl. »Eine Familie, die in der ganzen Stadt geschätzt und bewundert wird, die sich ganz in den Dienst der Königin und ihrer Interessen gestellt hat, nicht nur hier, sondern auch in den abgelegensten Winkeln des Empires.«
    Miss Buchan starrte ihn schweigend an, den mageren Körper gerade aufgerichtet, die Hände im Schoß gefaltet. Zerbrechlich sah sie plötzlich aus und sehr, sehr alt. Rathbone verspürte ein unbändiges Verlangen, sie vor künftigen Schwierigkeiten zu bewahren, doch er konnte jetzt nicht das mindeste für sie tun.
    Worüber er sich von Anfang an im klaren gewesen war, genau wie sie.
    »Miss Buchan«, fuhr Lovat-Smith in uneingeschränkt höflichem Ton fort, »Sie wissen vermutlich, was widernatürliche Unzucht bedeutet, und gehen nicht leichtfertig mit dem Begriff um?«
    Sie wurde rot, wich seinem Blick aber nicht aus.
    »Ja, Sir. Ich weiß, was es bedeutet. Wenn Sie mich dazu zwingen, kann ich es Ihnen gern beschreiben.«
    Er schüttelte hastig den Kopf. »Nein – nichts läge mir ferner. Woher wissen Sie, daß dieser unaussprechliche Akt an General

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