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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ebenso altmodisch wie der ganze Raum. Sie saß der Sonne zugewandt am Fenster, was, falls sie das öfter tat, eine ausgezeichnete Erklärung für ihre wenig vornehme Gesichtsfarbe darstellte. Sie schaute Hester amüsiert an.
    »Mein liebes Mädchen, glauben Sie nicht, daß Monk mir längst von diesem Fall erzählt hat? So lautete unsere Abmachung, falls Sie sich erinnern. Und ich habe mich natürlich kräftig ins Zeug gelegt, um soviel wie möglich über General Carlyon in Erfahrung zu bringen. Wie über seinen Vater. Man bekommt eine Menge über einen Mann heraus, wenn man sich seine Eltern ansieht – für eine Frau gilt selbstverständlich das gleiche.« Sie blickte grimmig drein. »Wirklich, dieser Kater ist total verdreht. Gott hat ihn weiß auf die Erde geschickt, und was macht er? Klettert die Kamine hinauf! Bei dem Gedanken, daß er den ganzen Dreck früher oder später aus seinem Fell lecken wird, wird mir richtig übel – als ob ich den Mund selbst voll Ruß hätte. Aber ich kann ihn wohl kaum baden, obwohl ich kurz daran gedacht und ihm das gesagt habe.«
    »Einen Großteil wird er ohnehin an Ihren Möbeln abstreifen«, warf Hester sorglos in den Raum. Sie war an Callandras Art gewöhnt, außerdem mochte sie das Tier recht gern.
    »Wahrscheinlich«, stimmte Callandra zu. »Er ist fürs erste aus der Küche verbannt worden, also gewähre ich dem armen Vieh Asyl.«
    »Wieso das? Ich dachte, es wäre seine Aufgabe, die Mäuseexplosion dort in Grenzen zu halten?«
    »Stimmt – aber er kann die Pfoten nicht von den Eiern lassen.«
    »Hat die Köchin nicht hin und wieder ein Ei für ihn übrig?«
    »Natürlich. Aber wenn sie es einmal nicht tut, behilft er sich selbst. Erst heute morgen hat er die Pfote um ein halbes Dutzend Eier geschlungen und sie auf den Boden geschubst. Wo sie natürlich zerbrochen sind, so daß er sich ordentlich den Wanst vollschlagen konnte. Wundern Sie sich also nicht, wenn es heute kein Souffle zum Dinner gibt.« Sie ließ sich noch tiefer in die Kissen gleiten, woraufhin sich der Kater im Schlaf genüßlich rekelte und sacht zu schnurren begann. »Sie möchten bestimmt gern wissen, was ich über General Carlyon herausgefunden habe?« fragte sie dann.
    »Allerdings.«
    »Nichts Weltbewegendes leider. Er muß ein in der Tat bemerkenswert uninteressanter Mann gewesen sein, korrekt bis zu einem Grad, der an Fadheit grenzt – jedenfalls für meinen Geschmack. Sein Vater hat ihm eine Offiziersstelle im Gardekorps erkauft. Er war tüchtig, bei den Kameraden ausgesprochen beliebt – bei den meisten wenigstens –, hat die Buchstaben des Gesetzes wortgetreu befolgt und wurde zu gegebener Zeit befördert, was zweifellos viel mit dem Einfluß seiner Familie und einem gewissen angeborenen Talent im Umgang mit Waffen zu tun hatte. Er verstand es, seinen Männern absolute Loyalität abzugewinnen – und das will was heißen. Außerdem war er ein sehr guter Reiter; auch ein erheblicher Pluspunkt.«
    »Und wie war er privat?« fragte Hester hoffnungsvoll. Callandra wirkte ein wenig betreten. »Ein völlig unbeschriebenes Blatt«, gab sie zu. »Er hat Alexandra Fitz William nach nur ganz kurzer Werbungszeit geheiratet. Die Verbindung war vollkommen standesgemäß, und beide Familien waren mit der Heirat überaus zufrieden, was nicht weiter verwunderlich ist, da hauptsächlich sie das Ganze arrangiert hatten. Dann wurde ihre Tochter Sabella geboren und, viele Jahre später, ihr einziger Sohn Cassian. Der General wurde nach Indien abkommandiert und blieb lange Zeit dort, vorwiegend in Bengalen. Ich habe mit einem Freund von mir gesprochen, der ebenfalls dort gedient hat, aber er hat nie auch nur ansatzweise Schlechtes über Carlyon gehört, weder hinsichtlich seiner beruflichen Pflichten noch seines Privatlebens. Seine Männer haben ihn respektiert, manche sogar sehr.
    Ach Moment, eine kleine Geschichte ist mir doch zu Ohren gekommen, die vielleicht ein wenig Licht auf den Charakter dieses Mannes wirft. Ein junger Leutnant, der erst seit wenigen Wochen in Indien war, kam mit seiner Patrouille überhaupt nicht zu Rande und verlief sich, was zur Folge hatte, daß die Hälfte seiner Männer verwundet wurde. Carlyon, damals Major, nahm ein erhebliches persönliches Risiko in Kauf und ritt mit einigen Freiwilligen aus, um nach dem jungen Burschen zu suchen. Er stöberte ihn auf, kümmerte sich um die Verwundeten und wehrte obendrein irgendeinen feindlichen Angriff ab. Dann brachte er fast alle sicher zur

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