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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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denn nun dort?« fragte Edith gespannt und meinte damit wieder die Zeitungen.
    »Für die Presse steht Alexandras Schuld offenbar fest«, erwiderte Damaris. »Aber das hat mich gar nicht so sehr gestört, es war die die Böswilligkeit.«
    »Was hast du erwartet?« Felicia runzelte unwillig die Stirn.
    »Sie hat in aller Öffentlichkeit zugegeben, daß sie etwas vollkommen Unvorstellbares getan hat. Das bringt das Weltbild der Leute genauso ins Wanken wie Wahnsinn. Natürlich sind sie … verärgert. Ich glaube, böswillig ist nicht das richtige Wort. Du scheinst die Ungeheuerlichkeit ihrer Tat noch nicht begriffen zu haben.« Sie verbannte ihr Lachssouffle an den Tellerrand und schenkte ihm keine weitere Beachtung. »Kannst du dir ausmalen, welche Zustände in diesem Land herrschen würden, wenn jede Frau, deren Mann mit einer anderen flirtet, gleich zur Mörderin wird? Wirklich, Damaris, manchmal frage ich mich, wo du deinen Verstand gelassen hast! Die Gesellschaft würde zugrunde gehen. Es gäbe keine Sicherheit mehr, keine Moral, keine Überzeugung. Wir würden in Chaos und Barbarei enden.«
    Sie gab dem Lakaien mit einer herrischen Geste zu verstehen, daß er ihren Teller abräumen solle. »Alexandra mußte weiß Gott keine Widrigkeiten erdulden, und wenn es doch so gewesen wäre, hätte sie es ebenso tun müssen wie abertausend Frauen vor ihr – und zweifellos auch danach. Keine Beziehung geht ohne Probleme oder persönliche Opfer vonstatten.«
    Das war eine ziemliche Übertreibung. Hester beobachtete die Gesichter der anderen, neugierig, ob ihr jemand widersprechen würde. Doch Edith hielt ihren Blick auf den Teller gesenkt; Randolf nickte, als ginge er völlig mit ihr konform; Damaris blickte zwar auf und schaute Hester an, blieb aber ebenfalls stumm. Cassians Gesicht war todernst, doch niemand schien sich daran zu stoßen, daß hier offen vor ihm über seine Eltern diskutiert wurde. Und so zeigte er denn auch nicht die Spur einer Gefühlsregung.
    Peverell war es, der schließlich das Wort ergriff.
    »Das ist das Wesen der Furcht, meine Liebe«, sagte er zu Edith und lächelte sie traurig an. »Menschen benehmen sich oft am gemeinsten, wenn sie sich fürchten. Daß Henkersknechte Gewalt ausüben, erscheint uns vollkommen normal. Wenn es in der Unterschicht zu Schlägereien kommt, finden wir das nicht weiter verwunderlich. Wir haben sogar Verständnis, wenn vornehme Herren einmal aus der Rolle fallen, weil sie sich beleidigt fühlen, die Ehre einer Frau verteidigen wollen oder – auch wenn das als ausgesprochen geschmacklos gilt und nicht oft vorkommt – Geld im Spiel ist.«
    Der Lakai entfernte sämtliche Fischteller und begann das Fleischgericht aufzutragen.
    »Aber wenn Frauen plötzlich zur Gewalt greifen«, fuhr Peverell fort, »um ihren Männern vorzuschreiben, wie sie sich in moralischen und sittlichen Fragen zu verhalten haben, stellt das nicht nur eine Bedrohung für deren persönliche Freiheit, sondern auch für die Unantastbarkeit ihres Zuhauses dar. Und das löst eine furchtbare Panik aus, weil es an den Grundfesten eines essentiellen Sicherheitsfaktors rüttelt, an dem einzigen Ort, an dem die Menschen sich einbilden, nach den alltäglichen Spannungen und Konflikten Zuflucht zu finden.«
    »Ich begreife nicht, warum du einbilden sagst.« Felicia umhüllte ihn mit einem eiskalten Blick. »Das eigene Heim ist der Mittelpunkt des Friedens, der Moral und der unerschütterlichen Loyalität, ein Ruhepol und ein Quell der Kraft für alle, die arbeiten oder sich in einer zunehmend veränderten Welt behaupten müssen.« Sie lehnte das Fleischgericht ab, und der Lakai zog sich diskret zurück, um Hester zu bedienen. »Welchen Sinn hätte das Leben dann noch? Wenn das Kernstück aufweicht, geht alles verloren. Wie kannst du nur überrascht sein, daß die Menschen sich davor fürchten und sich abgestoßen fühlen, wenn eine Frau, die alles hat, plötzlich durchdreht und ausgerechnet den Mann ermordet, der sie beschützt und versorgt hat? Selbstverständlich reagieren sie entsetzt. Etwas anderes wäre geradezu unnormal.« Zu Damaris sagte sie: »Du mußt es ignorieren. Hättest du den Schneider ins Haus bestellt, was ohnehin der richtige Weg gewesen wäre, hättest du es gar nicht erst mitbekommen.«
    Damit war das Thema erledigt. Eine halbe Stunde später, als sie mit dem Essen fertig waren, verschwanden Edith und Hester nach den üblichen entschuldigenden Worten nach oben. Kurz darauf verließ Hester das

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