Eine Spur von Verrat
versetzte.
Aus reiner Widerborstigkeit nahm er sich vor, ausgesprochen liebenswürdig zu dem armen Burschen zu sein.
»Guten Morgen«, begann er mit einem entwaffnenden Lächeln zumindest sollte es so wirken. »Ich möchte mich dafür entschuldigen, daß ich Sie von Ihren Pflichten abhalten muß, aber Sie könnten mir eventuell eine große Hilfe sein.«
»Ich, Sir?« Seine Verblüffung war nicht zu übersehen. »Wie soll ich Ihnen helfen, Sir?«
»Indem Sie mir so genau wie möglich schildern, was Sie am Abend von General Carlyons Tod getan haben. Fangen Sie nach dem Dinner an, als die Gesellschaft sich in den Salon begeben hatte.«
Der Lakai verzog das Gesicht zu einer qualvoll tief konzentrierten Grimasse und zählte Monk seine übliche Arbeitsroutine auf.
»Und dann?« half Monk nach.
»Ging die Glocke im Salon«, kam es prompt zurück. »Und weil ich sowieso da vorbeigemußt hab’, bin ich reingegangen. Sie wollten, daß ich das Feuer schür. Hab’ ich auch gemacht.«
»Wer war alles dort?«
»Der gnäd’ge Herr nicht, und die gnäd’ge Frau kam grade rein, als ich rausging.«
»Und dann?«
»Dann – ich – äh…«
»Hatten Sie noch einen kleinen Schwatz mit der Küchenmagd?« soufflierte Monk lächelnd. Es war ein Schuß ins Blaue.
Der Lakai wurde puterrot und blickte zu Boden. »Ja, Sir.«
»Haben Sie den Kohleneimer für die Bibliothek geholt?«
»Ja, Sir – aber ich hab’ keine Ahnung mehr, wieviel später das gewesen ist.« Er sah ganz unglücklich aus. Monk schätzte, daß es sehr viel später gewesen sein mußte.
»Und Sie kamen dabei durch die Halle?«
»Ja, Sir. Da war die Rüstung noch in Ordnung.«
Wer immer es gewesen war, Louisa also auf keinen Fall. Nicht, daß er etwa ernsthaft daran geglaubt hätte.
»Haben Sie auch noch für andere Räume Kohle geholt? Wie steht’s mit den Zimmern im ersten Stock?«
Dem Lakaien schoß zum zweitenmal das Blut ins Gesicht, und er schlug erneut die Augen nieder.
»Sie hätten Kohlen nach oben bringen sollen, haben es aber nicht getan?« spekulierte Monk.
Sein Gegenüber hob hastig den Blick. »Doch, Sir, hab’ ich! In Mrs. Furnivals Zimmer. Der gnäd’ge Herr will kein Feuer zu dieser Jahreszeit.«
»Haben Sie irgend jemand oder irgend etwas gesehen, als Sie oben waren?«
»Nein, Sir!«
Wieso log dieser Bursche? Da war doch was! Es stand ihm ins pinkfarbene Gesicht geschrieben, ging aus dem gesenkten Blick, den fahrigen Händen eindeutig hervor. Er war das schlechte Gewissen in Person.
»Wie sind Sie nach oben gegangen? An welchen Räumen sind Sie vorbeigekommen? Haben Sie etwas gehört, einen Streit vielleicht?«
»Nein, Sir.« Er biß sich auf die Lippe und mied Monks Blick.
»Was dann?« beharrte Monk unerbittlich.
»Ich bin die Vordertreppe raufgegangen, Sir – ich…«
Endlich ging Monk ein Licht auf. »Ach so, ich verstehe. Mit den Kohleneimern?«
»Ja, Sir. Bitte, Sir…«
»Ich werde dem Butler kein Wort verraten«, beruhigte Monk ihn hastig.
»O danke, Sir! Vielen, vielen Dank.« Er schluckte vernehmlich. »Die Rüstung war noch da, Sir; und den General hab’ ich auch nicht gesehen – oder sonst wen. Nur das Zimmermädchen.«
»Ja, gut. Ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen.«
»Wirklich, Sir?« Er machte einen skeptischen, doch außerordentlich erleichterten Eindruck, daß er endlich entlassen war.
Als nächstes begab Monk sich nach oben, um mit den Hausmädchen zu sprechen, die momentan nicht im Dienst waren. Vielleicht hatte eine von ihnen Sabella gesehen; sie waren seine letzte Hoffnung.
Die erste war ein völliger Fehlschlag, die zweite ein aufgewecktes Ding von etwa sechzehn Jahren mit einer prachtvollen Flut kastanienbraunen Haars. Sie schien die Dringlichkeit seiner Fragen zu begreifen und beantwortete sie bereitwillig, wenn auch mit wachsamem Blick. Monk spürte die Sorte Eifer, die ihn ahnen ließ, daß sie sowohl etwas zu verbergen wie auch zu enthüllen hatte. Wahrscheinlich war sie es gewesen, mit der der Lakai sich getroffen hatte.
»Ja, ich hab’ Mrs. Pole gesehen«, gab sie unumwunden zu.
»Sie hat sich nicht wohl gefühlt, also hat sie sich ‘n bißchen im grünen Zimmer hingelegt.«
»Um wieviel Uhr ist das gewesen?«
»Ich – ich weiß nich mehr, Sir.«
»Lange nach dem Abendessen?«
»Klar, Sir. Wir essen um sechs!«
Monk sah seinen Patzer ein und versuchte ihn wiedergutzumachen.
»Hast du jemanden gesehen, während du auf der Galerie warst?« Sie wurde schlagartig
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