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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Kopf verlieren, daß er den General gleich umbringt? Nach dem Eindruck zu urteilen, den ich so von ihm gewonnen habe, stellte der General wohl kaum eine Konkurrenz in Sachen Liebe für ihn dar. Er war ein unglaublich ehrbarer, ziemlich wichtigtuerischer, verknöcherter Soldat, der seine besten Jahre bereits längst hinter sich hatte, hatte wenig Sinn für Humor und sah nicht mal besonders gut aus. Gut, er hatte Geld, aber das hat Furnival auch.«
    Monk schwieg und wünschte insgeheim, er hätte sich auch ein Sandwich bestellt.
    »Tut mir leid«, sagte Evan aus tiefstem Herzen. »Ich glaube wirklich nicht, daß Sie was für Mrs. Carlyon tun können. Die Gesellschaft wird für einen Mord aus Eifersucht an einem flirtenden Ehemann wenig Verständnis aufbringen. Selbst wenn es eine handfeste Affäre gewesen wäre, die er in alle Welt hinausposaunt hätte, hätte man von ihr erwartet, daß sie wegsieht und es mit Würde trägt. Solang finanziell für sie gesorgt ist und sie den Schutz seines Namens genießt, würde man das als großes Glück bezeichnen und von ihr verlangen, daß sie ihre Pflicht erfüllt und für Harmonie und Stabilität in der Familie sorgt – ob er jetzt dahin zurückzukehren gedenkt oder nicht.«
    Monk wußte, daß er recht hatte. Ganz gleich, wie er persönlich zu einer derartigen Einstellung stand, man würde sie so beurteilen. Und die Geschworenen würden sich selbstverständlich ausschließlich aus Männern wie dem General zusammensetzen, die sich vollkommen mit ihm identifizieren konnten. Welche verheerenden Folgen hätte es schließlich für sie, wenn Frauen plötzlich glauben würden, sie könnten ihre Männer nach jedem Flirt so mir nichts dir nichts ermorden und ungeschoren davonkommen? Man würde kurzen Prozeß mit ihr machen.
    »Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen den Tatbestand wiedergeben, wie wir ihn bisher festgestellt haben, aber das wird Ihnen nicht viel helfen«, meinte Evan betrübt. »Er enthält nichts Aufregendes – überhaupt nichts eigentlich, was Sie sich nicht schon selbst zusammengereimt haben könnten.«
    »Sagen Sie’s mir trotzdem«, gab Monk ohne Hoffnung zurück.
    Was Evan dann auch tat. Doch wie er Monk bereits vorgewarnt hatte, war absolut nichts Brauchbares dabei, nichts, was auch nur den Ansatz einer Spur bedeutet hätte.
    Monk ging zur Bar, um ein Sandwich und zwei weitere Pints Apfelwein zu bestellen. Nachdem sie noch ein paar Minuten über andere Dinge gesprochen hatten, verabschiedete er sich von Evan und verließ das Wirtshaus. Er trat mit dem warmen Gefühl auf die belebte Straße hinaus, einen guten Freund zu haben – ein ungewohnter Eindruck, den er nach wie vor mit nachhaltiger Überraschung genoß. Für Alexandra Carlyon hingegen hatte er weniger Hoffnung denn je.
    Er würde auf keinen Fall zu Rathbone gehen und seine Niederlage eingestehen. Noch war nichts bewiesen. Momentan wußte er nicht mehr, als Rathbone ihm schon zu Anfang erzählt hatte. Ein Verbrechen bestand aus drei Hauptelementen, die er im Geiste aufzählte, während er sich seinen Weg an den Karren der Straßenhändler vorbeibahnte, kleinen Kindern von nicht mehr als sechs oder sieben Jahren, die Streichhölzer und Bänder verkauften. Traurig blickende Frauen hielten Taschen mit abgetragenen Kleidungsstücken umklammert; bedürftige Invaliden boten Spielzeug, kleine handgemachte Gegenstände, die zum Teil aus Horn oder Holz geschnitzt waren, sowie mit den unterschiedlichsten Hausmitteln gefüllte Fläschchen feil. Er kam an Zeitungsverkäufern, Straßensängern und anderen Wesen vorbei, die die Londoner Straßen gemeinhin bevölkerten. Und er wußte, daß unter ihm in der Kanalisation noch mehr waren, die ums nackte Überleben kämpften, die die Abwässergräben am Flußufer nach den verlorenen oder weggeworfenen Schätzen der wohlhabenderen Bürger dieser riesigen, wunderbaren Stadt durchforsteten.
    Das Motiv gab ihm Rätsel auf. Alexandra hatte eins, auch wenn es widersinnig und kurzsichtig war. Sie wirkte auf ihn überhaupt nicht wie eine Frau, die von rasender, mörderischer Eifersucht verzehrt wurde. Doch das lag vielleicht daran, daß sein Tod ihr Genugtuung verschafft hatte, und sie erst jetzt erkannte, was für eine verhängnisvolle Dummheit es gewesen war.
    Auch Sabella besaß ein Motiv, jedoch ein ebenso widersinniges, zudem hatte sie die Tat nicht gestanden. Sie schien sogar aufrichtig um ihre Mutter besorgt. War es möglich, daß sie das Verbrechen in einem Anflug geistiger

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