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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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was ihm ihre persönliche Note verliehen hätte.
    Er beobachtete, wie dieser prüfende Blick über den tannengrünen Teppich glitt, die ebenfalls tannengrün gepolsterten Mahagonimöbel streifte und schließlich die kahlen weißen Wände hinauf flog. Für den momentanen Zeitgeist war das Zimmer bei weitem zu schlicht; er verlangte Eiche, Schnitzereien und Schnörkel, reich verziertes Porzellan und schmückendes Beiwerk. Er war bereits im Begriff, eine Rechtfertigung von sich zu geben, doch fiel ihm nichts ein, das nicht nach Komplimenthascherei geklungen hätte, also ließ er es bleiben.
    »Wollen Sie meine Resultate vor oder nach dem Dinner hören?« fragte Monk. »Wenn sie Ihnen am Herzen liegen, sollten Sie vielleicht besser bis danach warten.«
    »Das legt wohl den Schluß nahe, daß sie eher unerfreulicher Natur sind«, erwiderte Rathbone mit einem gezwungenen Lächeln. »In dem Fall würde ich sagen: Lassen wir uns nicht den Appetit verderben.«
    »Eine weise Entscheidung«, pflichtete Monk ihm bei.
    In diesem Moment erschien Eames mit einer Karaffe Sherry, langstieligen Gläsern und einem Tablett Appetithäppchen. Sie ließen es sich schmecken und führten währenddessen eine harmlose Unterhaltung über das aktuelle politische Geschehen sowie die Möglichkeit eines Kriegsausbruchs in Indien, bis sie zum Dinner gerufen wurden.
    Auch das Eßzimmer war in sattem Dunkelgrün gehalten. Es war wesentlich kleiner als das der Furnivals; Rathbone beherbergte offensichtlich nie mehr als höchstens ein halbes Dutzend Gäste. Das französische Porzellan mit seinem feinen Dekor und dem zarten Goldrand wirkte extrem schlicht. Das einzige Zugeständnis an den gemeinhin üblichen Bombast bestand in einer herrlichen Sevresurne, die mit Rosen und anderen Blumen in leuchtenden Rot–, Pink–, Gold– und Grün tönen bemalt war. Rathbone merkte sehr wohl, daß Hester mehrmals zu ihr hinsah, enthielt sich aber einer Frage nach ihrem Urteil. Lobte sie die Urne in den höchsten Tönen, würde er es als pure Höflichkeit empfinden; tat sie es nicht, wäre er vermutlich verletzt, weil sie ihm dann womöglich zu protzig erschien, obwohl er sie eigentlich sehr mochte.
    Während des Essens drehte sich die Unterhaltung ausschließlich um Politik und gesellschaftliche Themen, die er normalerweise nicht in Gegenwart einer Frau besprochen hätte. Er war mit den Sitten und Gebräuchen der oberen Gesellschaftskreise bestens vertraut, doch auf Hester waren sie nicht anwendbar. Sie paßte nicht in das herkömmliche Bild einer vornehmen Dame, der das Leben außerhalb ihres eigenen Heims fremd war, sie war kein Mensch, den man vor Themen, die den Kopf in Anspruch nahmen, bewahren mußte.
    Nach dem letzten Gang kehrten sie in den Salon zurück. Nun gab es keinen Grund mehr, denn Fall Carlyon auf die lange Bank zu schieben.
    Rathbone sah Monk erwartungsvoll an.
    »Ein Verbrechen besteht aus drei Grundelementen«, begann dieser mit einem eigensinnigen, ironischen Lächeln, während er sich in seinem Sessel zurücklehnte. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, daß er Rathbone und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Hester damit nichts Neues sagte, war jedoch wild entschlossen, es ihnen auf seine Weise mitzuteilen.
    Rathbone spürte bereits, wie sich Ärger in ihm breitmachte. Er hatte tiefen Respekt vor Monk, empfand teilweise sogar Sympathie für den Mann, doch dieser Zug an ihm scheuerte an seinen Nerven wie feines Schmirgelpapier. Er wußte, daß Monk jederzeit mit unvorhersehbaren, irritierenden Dingen aufwarten konnte, die tröstliche Gedanken und sichergeglaubte Überzeugungen vollkommen zunichte machten.
    »Die Mittel waren für jeden erhältlich«, fuhr Monk fort.
    »Sprich die Hellebarde, die in der Hand der Ritterrüstung steckte. Alle hatten Zugang zu dieser Rüstung und alle wußten, wo sie sich befand, weil jeder, der das Haus betrat, förmlich von ihrem Anblick erschlagen wurde. Deshalb stand sie dort – um Eindruck zu schinden.«
    »Das ist uns bekannt«, gab Rathbone schroff zurück. Der Groll auf Monk hatte seine Geduld erschöpft. »Es bedarf keiner großen Kraftanstrengung, einen ahnungslosen Mann über ein Geländer zu stoßen, wenn man direkt vor ihm steht. Und die Hellebarde konnte – laut medizinischem Bericht – von jedem Menschen normaler Statur benutzt worden sein, wenn es auch außergewöhnlicher Brutalität bedurfte, sie bis zum Fußboden durch den Körper zu treiben.« Er zuckte leicht zusammen und wurde angesichts

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