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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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sie an.
    Es wurde strahlend hell. An der gegenüberliegenden Wand saß Josephus aufrecht im Bett und lächelte sie an. „Marie-Elouise, wie nett! Sie werden erwartet.“
    Puma Lou fuhr herum, doch Diele und Gänge waren voller schwarzuniformierter Polizisten, die Stunner in den Händen hielten. Sie wandte sich wieder dem Schlafzimmer zu, bereit, an Josephus vorbei mit einem Satz aus dem Fenster zu entkommen.
    Der Verwalter hob die Hand, und sie blickte in das Rohr eines Stunners. „Sie müssen müde sein. Schlafen Sie jetzt, am Morgen sprechen wir uns.“ Sie fühlte einen kurzen Stich, dann nichts mehr.
    Langsam erwachte Marie-Elouise. Sie starrte auf den dunklen schlanken Mann und fragte sich, wer er sei. Die Frau neben ihm kam ihr ebenfalls bekannt vor. Blinzelnd begriff sie, daß die Frau ihre Mutter war. Und der Mann war Josephus. Sie schrie leise auf und wollte sich auf die Seite drehen, weiterschlafen. Josephus faßte sie bei der Schulter und schüttelte sie.
    „Trink etwas Tee, Liebling“, sagte ihre Mutter. Sie warteten, bis sie sich aufgesetzt und getrunken hatte. Nach ein paar Minuten konnte sie wieder richtig sehen und setzte die Tasse hin.
    „Anita?“
    „Du bist zu Hause, meine Liebe. Josephus hat dich in den frühen Morgenstunden hergebracht. Anscheinend bist du unartig gewesen.“
    Josephus lächelte leise. Er öffnete die Hand, und drei Metallwürfel rollten auf den Tisch. „Gedächtniswürfel. Sie wollten einen davon bei mir anwenden?“
    „Für Yakov“, antwortete Marie-Elouise, „ich hatte es versprochen.“
    „Für wen?“ fragte Anita.
    „Mein ehemaliger Gärtner, ein Dummkopf und Faulpelz. Ich war ziemlich grob zu ihm.“ Er spielte mit dem Würfel. „Das Gedächtnis stehlen … natürlich, Brokslav. Wir haben mehrere Meldungen.“
    „Noch drei, eine Frau und zwei Männer. Glückliche Menschen; sie hatten Macht und alles, was sie brauchten. Angeborene Gaben. Ich gab ihre Gedächtnisse drei Krüppeln, die ich im Grüngürtel umherirrend fand.“
    Anita schob die Lippen vor. „Du bist ein sehr ungezogenes Mädchen.“
    „Ich?“ blitzte Puma Lou. „Behandle mich nicht so herablassend! Ich bin kein Kind mehr!“
    Josephus schlug die Handfläche kräftig auf den Tisch und lachte. „Wer handelt hier herablassend? Glauben Sie etwa, wenn Sie jemanden umbringen, indem sie ihm das Gedächtnis wegnehmen und es jemandem geben, den Sie für weniger glücklich halten, dann handeln Sie nicht herablassend?“
    „Nein.“
    „Kind, du mußt noch viel lernen.“
    „Was habt ihr vor?“
    „Du mußt bestraft werden“, sagte Anita.
    „Bestraft“, stimmte Josephus zu. „Es ist ein häßliches Wort, aber ich hatte noch mehr im Sinn.“
    „Die Stahlrute.“
    „Nichts so Brutales. Sie müssen begreifen, daß ein Gedächtnis zu haben viel mehr bedeutet als die historischen Romanzen, mit denen Sie sich so lange Zeit durchtränkt haben. Sie werden jetzt ein paar weniger erfreuliche Erinnerungen durchleben: meine spezielle Auswahl.“
    „Sie ekeln mich an“, sagte Puma Lou.
    Wieder lächelte Josephus. „Ich denke, etwa tausend subjektive Jahre werden angemessen sein. Dann werden Sie Ihren früheren Körper zurückbekommen.“
    „Dazu habe ich mich bereits entschlossen.“
    „Wie meinen Sie?“
    Puma Lou lächelte; dann verging das Lächeln langsam. „Sie haben mich erwartet. Woher wußten Sie …“
    „Was denken Sie wohl?“
    Dann brachte man sie hinaus, in die Halle, wo ihre drei Gatten warteten.
    „Welcher von euch Hundesöhnen war es?“ fragte Puma Lou. „Wer hat mich verraten?“ Sie blitzte Nels an. „Du? Du hattest mir die Würfel aus dem Institut besorgt.“
    „Jeder von uns könnte es gewesen sein“, sagte Macy, „oder alle. Du sprichst ja im Schlaf.“
    „Warst du es?“
    „Wer kann wissen, wen von uns du abgeschoben hättest?“ Unverbindlich spreizte Macy die Hände. „Spielt auch keine Rolle. Wer hat dich mehr geliebt? Wen würde der Verrat am schwersten treffen?“
    „Mich.“
    „Aus welchem Buch hast du das gestohlen?“ fragte Macy.
    Sie starrte ihn an, bis er zur Seite blickte. „Aus keinem Buch“, antwortete Puma Lou. „Aus meinem Leben.“
    Josephus griff nach ihrem Ellbogen, um sie hinauszuführen. Sie schüttelte seine Hand ab.

 
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