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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Doppelspirale aus schimmernden Flammen. „Es wird Zeit.“
    „Ein hoher Berg“, antwortete Vince.
    „Ja, da hilft nun nichts“, sagte die Doppelspirale. „Traum-Suchen ist bekanntlich sehr anstrengend.“
    „Bist du Gott?“ fragte Vince.
    „Natürlich nicht“, antwortete das Wesen, „ich muß mich doch sehr über dich wundern.“
    „Wer bist du dann?“
    „Betrachte mich als etwas Grundsätzliches und ausgesprochen Menschliches. Wie arrogant, mich für Gott zu halten!“
    „Na ja“, erwiderte Vince, „ich sehe schon, daß du kein alter Mann auf dem Thron bist, der das All regiert.“
    „Es ist falsch von dir, das du vermenschlichst“, sagte die Doppelspirale.
    Verstockt betrachtete Vince seine Zehen.
    „Hat auch nichts zu sagen“, fuhr das Wesen fort, „du wirst wissen wollen, warum ich dich hier heraufklettern ließ.“
    Vince sah auf: die schimmernden Flammenfäden schienen an seinen Augen zu zupfen.
    „Ich habe dir etwas zu übergeben, das du den Menschen bringen sollst.“ Ein flammender Strang wie ein Lichtschreiber schoß hervor und schrieb etwas auf die Gipfelplatte. Der Boden erzitterte wie unter Qualen.
    Vince starrte auf die feurigen Buchstaben. „Ich kann es nicht lesen.“
    „Es ist das größte meiner Gebote. Vergiß es nie. Im biologischen Sinne gibt es keine Imperative.“ Die eingebrannten Buchstaben ordneten sich: Keine Imperative.
    „Es gibt aber doch welche“, wandte er ein, „wir haben gelernt …“
    „Willst du dem Leben widersprechen?“ fragte die Doppelspirale drohend.
    „Aber …“
    „Bringe den Menschen mein Wort.“ Der Feuerstrahl floß zurück und wurde in die Mutterspirale aufgewunden. „Nimm es auf.“
    Das Feuer hatte um die Botschaft keine Imperative einen Rand gebrannt, so daß sie wie auf einer rechteckigen Tafel stand. Vince bückte sich und löste sie ab. Der Stein war weich und von derselben Temperatur wie seine Hand. Er hielt die Tafel fest gepackt und fühlte einen Puls in ihr klopfen.
    „Geh jetzt.“
    Eine ketzerische Sekunde lang wollte er das Gebot der Doppelspirale ignorieren. Doch dann wandte er sich wortlos um und stieg den Berg wieder hinab.
    „Hüte dich vor den Barbaren!“ rief die Spirale hinter ihm her.
    Wie auf ein Stichwort tauchten die Horden plumper Barbaren aus ihren Hinterhalten zwischen den Felsen auf. Sie stürmten den Hang hinan auf ihn zu, kreischend, mit ihren Waffen rasselnd. Ihre schrillen Schreie füllten seine Ohren wie Blut.
     
     
    „Vince! Da sind Menschen! Sie wollen uns umbringen!“
    „Mhm … ich träume … laß mich schlafen.“ Unter dem Pelz schwamm er aus seinem Traum heraus und wieder hinein.
    „Vince, wach auf!“ Sie schüttelte ihn angstvoll. Dann stieß sie einen schmerzlichen Schrei aus und fiel von ihm ab.
    Plötzlich hellwach, hörte er immer noch das Schreien der Barbaren. „Tourmaline?“ Sie kam wieder hoch, so daß er sie sehen konnte: das Gesicht blutig, einen zackigen Stein von halber Faustgröße in der Hand. „Sie haben mir weh getan“, sagte sie halb verwundert. Mit starrenden Augen beugte sie sich über ihn. „Sie werden uns umbringen!“
    „Und das habt ihr auch verdient“, sagte eine böse Stimme.
    Vince fuhr herum und sah am Rande der Schlafplattform drei Männer stehen. Sie waren bewaffnet: der erste hielt eine metallene Keule gepackt, der zweite ein Stilett mit langer nadeldünner Klinge, dem dritten hing ein mit Steinen gefüllter Beutel am Gürtel. Das Gesicht vor Ekel verzerrt, schleuderte dieser Dritte soeben einen Stein. Er traf Tourmaline an der Schulter; sie zuckte zusammen, schrie aber nicht.
    „Ihr müßt wissen“, hatte der mit dem Messer soeben gesagt, „daß es hier nicht um Persönliches geht.“ Und der Strolch mit der Keule: „Ich habe mir immer deine Shows angesehen. Ich fand dich großartig.“
    Der mit den Steinen sah am finstersten drein. „Los, machen wir sie doch endlich fertig!“ hetzte er.
    „Ihr seid ja alle verrückt“, schrie Tourmaline. Sie faßte an die Wunde über ihrem Auge und starrte auf das Blut an ihrem Finger. Vince rappelte sich hoch.
    „Diese dreckigen Propagandashows, die du für das Mediennetz gemacht hast!“ knurrte der mit dem Stilett.
    „Haben sie dir etwas geschadet?“ fragte Tourmaline.
    „Mir nicht. Ich wußte die Wahrheit bereits. Aber ich kann mir vorstellen, wie sie auf labilere Menschen wirken.“
    „Ich wollte nur erzieherisch wirken …“
    „Zum Bösen“, erwiderte der Messermann, „zur

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