Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
Vom Netzwerk:
das schon mit vielen Männern getan, nicht war?“
    „Natürlich. Und nicht nur mit Männern.“
    Er versuchte, diese Information zu verdauen. „Ich muß wirklich blöd sein.“
    „Wie meinst du das?“
    „Ich bin das alles nicht gewöhnt. Vorhin, als du und Timnath darüber sprachen, daß wir alle drei schlafen gehen sollten – meinte er Sex damit?“
    „Zum Teil.“
    „Alle drei zusammen? Sex, meine ich?“
    „Wenn alle einverstanden sind – ja.“
    Sie spürte, wie er leise den Kopf schüttelte. „Bei uns – ich meine 1963 – nennt man so etwas pervers. Das ist sittenwidrig.“
    „Du bist aber nicht bei euch in 1963“, entgegnete sie nüchtern.
    „So hat man es mir beigebracht.“
    „Da hat man dir unglaubliche Zwänge beigebracht.“
    „Ich glaubte, über alle diese Dinge hätte ich wirklich kritisch nachgedacht. Aber erst seit ich hier bin – hier ist alles so weit offen. Es erinnert mich an die Utopien, die ich gelesen habe.“
    „Aber Cinnibar ist keine Utopie. Es gibt eben hier mehr Möglichkeiten, als du früher hattest. Das ist alles. Unterschiedlichkeiten in asymptotischer Kurve von endlosem Verlauf.“
    „Alles das …“ sagte Vince nachdenklich, „… ein heterogyner Mann, der schwanger wird; das Ektogenese-Center, du, Timnath … Soviel Freiheit habe ich noch nie gesehen.“
    Tourmalines Atem wurde regelmäßiger.
    „Tourmaline?“
    „Was?“
    „Ich wollte dich nicht aufwecken.“
    Sie stützte sich auf die Ellbogen. „Du wolltest mich etwas fragen.“
    „Ich habe Timnath wirklich gern.“ Seine Stimme bebte. „Wenn er … mit uns schlafen will – ich habe nichts dagegen.“
    „Morgen?“
    „Okay. Das heißt, ich will es versuchen.“
    „Fein.“
    Minutenlange Stille.
    „Tourmaline?“
    „Was?“ Seufzend setzte sie sich auf.
    „Hat es je irgend etwas in Cinnibar gegeben, was du nicht kriegen konntest?“
    Sie war versucht zu sagen: „Schlaf.“ Doch sie antwortete: „Nur Langeweile.“
    „Wirklich?“
    „Entschuldige. Ich bin müde und wollte nur irgend etwas sagen.“
    „Wenn du wirklich wolltest, könntest du dann ein Kind kriegen?“
    „Sicher. Wenn ich wirklich wollte. Aber ich will nicht. Warum bohrst du so darauf herum?“
    „Ich bin neugierig.“
    „Du weißt doch, warum ich nie ein Kind austragen will. Ich glaube sogar kaum, daß ich jemals ein Kind klonen oder eine andere ektogenetische Technik anwenden würde.“
    „Du willst mütterlich sein, aber Mutter willst du nicht sein.“
    Sie überlegte. „Das ist eine harmlose Gefühlsnachgiebigkeit. Eine entschuldbare Selbstsucht, derer ich mich nicht zu schämen brauche.“
    „Wir haben aber gelernt, daß der Fortbestand der Arten eine unabdingbare biologische Forderung ist.“
    „Gelernt, gelernt“, spottete sie, „du weißt so verflucht viel Theorie.“
    „Sei still!“ Er preßte ihre Schultern in den Pelz. „Du behandelst mich wie …“
    „… ein Kind.“
    „Aber ich bin keins.“
    „Aber beinahe.“ Sie küßte ihn. „Und du bist müde?“
    „Ja, das bin ich“, gab er zu. Sie zog ihn an sich und summte Schlummerlieder. Ein paar Sekunden vor ihr schlief er ein.
     
     
    Im Traum suchte Vince irgend etwas.
    Es war ein mühsames Vorwärtskommen, er mußte einen Felsgipfel erklimmen. In einer sonst flachen, bräunlichen, wüstenartigen Ebene stieg der Berg steil an. Plötzlich wurde er die eigenartige Struktur des Bodens gewahr. Der Felsen, den er erklomm, die Säume, die er querte, die steilen Kamine, in denen er sich hocharbeitete, fühlten sich gar nicht wie Stein an. Die Oberfläche war weich und elastisch wie Fleisch mit Knochen darunter, er sank etwas ein. Als er einen unebenen Abhang hinanstieg, der ihn an ein Feld von Schulterblättern erinnerte, verlor er den Halt und stürzte beinahe ab. Er schrie; seine seltsam belegte Stimme gab keinen Widerhall.
    „Wo bist du?“
    Nichts und niemand antwortete.
    „Wo bist du?“ Er brach ab, verwirrt, weil er nicht wußte, wen er rief.
    Die Luft wurde kälter, verdichtete sich, summte. Klettere weiter! sagte eine Stimme. Vince starrte den Hang hinauf, doch er konnte niemanden sehen.
    „Nur noch ein bißchen weiter!“ Immer noch war niemand zu sehen.
    Die Stimme war ein angenehmer Sopran. „Hier bin ich.“
    Vince sah, daß er den Gipfel erreicht hatte und nicht weiter zu klettern brauchte. Der Gipfel war eine glatte Hochebene, etwa in der Größe eines Baseballfeldes. Ein Wesen wurde sichtbar. Es manifestierte sich als goldene

Weitere Kostenlose Bücher