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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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zweihundert Jahre zusammen. Wir sind uns nur in dem Sinne nähergekommen, daß wir während fast einhundert dieser Jahre im Korridor aneinander vorbeigegangen sind und uns dabei gestreift haben.“
    „Mutter …“
    „Er ist alt. Er stirbt. Eines Tages sterbe ich vielleicht auch. Sogar du stirbst schließlich vielleicht einmal. Doch Arthur verfault zusehends.“
    „Warum bist du dann geblieben?“
    Ihre Mutter sah ihr fest ins Auge. „Es wäre unmoralisch, ihn hier allein sterben zu lassen. Ich kann ihn nicht so aufgeben, wie die anderen aufgegeben wurden, die hier in der Siedlung alleingeblieben sind.“
    Leah legte ihre Hand auf die Schulter der Mutter. Estrella deckte sie mit der ihren. „In diesem Jahr ist er noch verlangsamter als im letzten“, sagte Leah, „ich wünschte …“
    „Da ist nichts zu machen.“
    „Vielleicht mit Kryonik.“
    „Konservieren lassen will er sich nicht. Einfrieren ist für ihn der Tod. Man würde ihn zwingen müssen.“
    „Nur Verbrecher können gezwungen werden.“
    „Und dein Vater ist ein guter Mensch.“ Beinahe hätte Leah die Ironie nicht bemerkt.
    „Das ist unfair.“
    „Du solltest ausziehen, Leah. Ich werde schon mit Arthur fertig, solange er in seiner Werkstatt diese dummen, brutalen Charaden spielt. Ich will dabei sein, wenn dein Vater stirbt.“
    „Ich habe an Wegziehen gedacht.“
    Die Schatten über dem Teich werden länger. „Wir müssen Abendbrot machen“, sagte Estrella. „Komm, hilf mir.“
     
     
    Estrella Sand war mit Handschellen an den Tisch gefesselt. Ihr Fleisch quoll über die festsitzenden Metallringe.
    „Hungrig, Liebes?“ Arthur schnippte ihr mit dem flachen Ende eines Spatels auf den Bauch.
    Sie verrenkte sich den Hals, um ihn anzusehen. „Nein.“
    „Nun – du kriegst sowieso nichts zu essen.“
    „Was hast du vor?“
    „Ich? Gar nichts. Meine kleinen Freunde werden das tun.“ Er spannte ein Band um den Kopf seiner Frau. Mit dem metallenen Spatel zwängte er ihr die Kiefer auseinander und schob das enge Ende eines Trichters dazwischen. Dann öffnete er einen schwarzen Kasten und schüttelte etwas in seine Hand, wobei er darauf bedacht war, daß sie alles sehen konnte. Er nahm eins der kleinen Dinger zwischen Daumen und Zeigefinger. „Du weißt, was das ist?“
    Sie riß die Augen auf.
    „Ganz recht. Eine gewöhnliche Küchenhilfe – aber mit einem Unterschied. Diese sind darauf programmiert, etwas Exotischeres zu fressen als Staub und Bleistiftschnitzel. Stell dir vor, wie sie durch deinen Leib sausen, bis sie an deinen Eierstöcken sind.“
    Estrella kreischte laut auf.
    Lächelnd schüttelte Arthur die kleinen Dinger aus seiner Hand in den Trichter. Die Küchenhilfen fielen in Estrellas feuchten Mund. Mit klinischer Aufmerksamkeit sah Arthur zu.
    „Weißt du noch, wie wir immer am Strand abgekocht haben? Wie ich mir jedesmal unweigerlich die Finger beim Feuermachen verbrannte? Und wie wir nach dem Essen vor der Brandung Liebe gemacht haben?“
    Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er ihr Kleid hochschob und ihre Beine sanft auseinanderzog.
     
     
    An der Stirnseite des Eßzimmers war ein großes Fenster mit Sicht auf den Teich. Durch seine rhombenförmigen Scheiben konnten die Sands von ihrem Tisch aus sehen, wie die Sonne unterging. Stumm reichten sie einander die Schüssel mit dem Sojabland. Leah mochte Sojabland nicht, doch sie aß es, weil es ihrem Vater schmeckte.
    Zwischen einem Bissen um dem nächsten fragte Arthur: „Leah, wer ist dein unmittelbarer Vorgesetzter beim Medienverband?“
    „Er heißt Liang.“
    „In der Programmabteilung, nicht wahr?“
    Leah nickte.
    „Ich habe mir überlegt …“
    Sie sah auf ihren Teller nieder. Dieses Gambit kannte sie schon.
    „Ob ich wohl mal zur Sprechprobe kommen könnte?“
    „Arthur!“ sagte Estrella warnend. Leah suchte nach einer Ausrede. „Das glaube ich kaum Vater. Für die nächste Saison stehen alle Shows bereits fest. Vorläufig gibt es überhaupt keine Sprechproben.“
    Nachdenklich kauend meinte ihr Vater: „Weißt du, ich finde, es wird Zeit, daß ich mich aufraffe und wieder etwas Nützliches tue.“ Er lächelte. „Würdest du dich nicht auch über ein Comeback freuen?“
    „Das wäre herrlich, Vater.“ Absichtlich ließ Leah ihre Serviette fallen, so daß sie sich bücken und sich heimlich die Augen wischen konnte. Einst war Arthur der führende Cynotiker am Center für Morbide Kultur gewesen.
    „Etwas Spektakuläres“, fuhr Arthur fort,

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