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Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
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Gegencode nicht stimmt. Ich sterbe. Verdammt, ich bin schon tot!“
    Leah nahm ihren Vater in den Arm; krampfhaft hielt er sich an ihr fest. „Entschuldige, Kleines“, sagte er und fing wieder an, ihr Haar zu bürsten.
    „Bitte entschuldige du auch, Vater. Ich wollte dich nicht erschrecken.“
    „Was ist, Leah? Ist etwas mit Mutter und mir?“
    Leah wandte den Kopf ab. „Ich habe gestern abend mit Mutter gesprochen. Haßt ihr euch?“
    Arthur lächelte knapp und hart. „Manchmal ja. Das ist natürlich unrecht. Ich hätte sie schon längst wegschicken sollen. Und wir hätten beide darauf dringen sollen, daß du wegziehst. Darum geht es ja eben bei der Periodizität. Wenn man ein bißchen vergessen hat, wie der andere ist, kann man wieder miteinander auskommen. Die Schuld liegt bei mir. Ich bin alt und nicht immer ganz klar, und was noch schlimmer ist: ich bin schwach.“
    Endlich sagte Leah: „Liang ließ mich heute vormittag kommen.“
    „Oh?“
    Leah zögerte. „Ich werde zum Dramaturgen befördert“, sagte sie schließlich bekümmert.
    „Aber das ist doch eine gute Nachricht“, erwiderte ihr Vater, „wirklich großartig.“
     
     
    Leah trat zu ihrer Mutter, die unter den Bäumen vor dem Hause stand. Miteinander blickten sie in die Dunkelheit.
    „Heute vormittag hat mir Liang gesagt, es würden keine Simulate mehr geliefert.“
    „Hast du es ihm gesagt?“
    „Ich habe es versucht. Ich konnte nicht.“
    „Muten sie ihm vielleicht zu, daß er bis an sein Lebensende Kartenkunststücke machen soll?“ fragte Estrella bitter.
    „Wenn ich ihn doch nur besser kennen würde. Dich und ihn.“
    „Das kommt schon noch. Eines Tages wirst du deinen ersten Mann oder deine erste Frau haben, und dann fängst du an zu verstehen. Je länger die Beziehung dauert, um so mehr sammelst du die unendlich kleinen Informations-Bits über den anderen Menschen. Und dein Liebespartner wird die gleichen Erfahrungen über dich machen.“
    „Das muß schön sein.“
    „Ein Philosoph hat einmal gesagt: Liebe ist Einanderneusein und Haß ist Einanderkennen. Es ist schwer, auf dieses Messers Schneide zu balancieren; man rutscht zu leicht ab.“
    Die Tochter tastete in der Dunkelheit nach der Mutter. „Was werden wir tun?“
    „Was ich tun soll, weiß ich nicht. Aber du solltest wegziehen.“
    „Das kann ich nicht. Jedenfalls nicht, bevor Vater stirbt.“
    Sie trat in Liangs Büro. Er saß immer noch unbeweglich in dem grau gekachelten Raum, immer noch von Phantom-Polyedern umgeben.
    Liang sah hoch und winkte ihr näherzutreten. „Sie haben Probleme?“
    „Gibt es keine Chance, daß die Budget-Abteilung zu einer anderen Entscheidung kommt?“
    Er schüttelte sich das seidige schwarze Haar aus den Augen. „Ausgeschlossen, Leah.“
    „Es muß doch eine Einspruchsmöglichkeit geben?“
    „In Etatsachen nicht. Vielleicht in der nackten Saison.“
    „Das ist doch stupide.“
    „Das ist Terminex. Endgültig. Terminex kennt unsere Aktiva und stellt dementsprechend unseren Etat auf.“
    „Ich könnte kündigen.“
    „Das wäre höchst albern“, entgegnete Liang unbewegt.
    „Aber was kann ich tun?“
    „Ich habe die Akten gelesen. Es ist unklug, daß Kernfamilien solange beieinanderzubleiben versuchen. Versuchen Sie Ihren Vater dazu zu bewegen, daß er die Zulassung zum Kryonik-Safe beantragt.“
    „Das will er nicht.“
    Liang zuckte die Achseln. „Dann muß er sich eben einrichten. Am Ende tun das alle.“
    „Ist heute die letzte Lieferung?“
    Liang schüttelte den Kopf. „Gestern früh.“
    „Gestern?“ Erschrocken preßte Leah die Faust an die Lippen. „Das kann doch nicht …“
    Liang nickte ernst. Sekundenlang starrte Leah ihn an, drehte sich dann wortlos um und stürzte zur Tür. Liang sah ihr nach, dann schnippte er mit den Fingern und war alsbald von einem Dutzend reiner, schlanker Tetrahedralen umgeben.
     
     
    Arthur Sand machte die Tür seines Arbeitszimmers hinter sich zu. „Ich fühle mich wohl“, sagte er. Anscheinend unbewegt sah seine Frau ihn an. Arthur hob die Axt an, daß ihre Schneide im Licht glitzerte. „Kalt, scharf und sauber“, sagte er und trat zu Estrella. „Tut mir leid. Diesmal bekommst du keine Antischockmedizin. Das würde die Reinheit der Schneide beeinträchtigen.“ Er schwang die Axt über die Schulter.
    In Estrellas Augen glitzerte es. Sie trat zur Seite, und das Blatt der Axt schmetterte in die Souvenirs auf dem Regal. Arthur stolperte und fiel fast vornüber. Er blickte

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