Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Stadt names Cinnabar

Eine Stadt names Cinnabar

Titel: Eine Stadt names Cinnabar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Bryant
Vom Netzwerk:
Durchmesser von vier Metern. In bedrohlichen S-förmigen Schlingen glitt es dicht an ihm vorbei, riß, ohne das Tempo zu verringern, die Kiefer auf und schloß sie mühelos um das erste Gelenk des metallfleischernen Extensipoden. Im gleichen Bewegungsablauf verschluckte er das abgebissene Glied und glitt in den Nebel zurück.
    Eine unglaublich lange Zeit verharrte Grimdahl in seiner aufrechten Stellung, während seine Kompensatoren um das Gleichgewicht kämpften. Dann sank er langsam, unerbittlich in den Sand zurück. Mit dem Breitbandlautsprecher brüllte er: „Hör auf! Laß das, verdammt! Wer bist du? Was bist …“
    Er verstummte, denn die Kreatur tauchte aus einem unerwarteten Winkel wieder auf. „Nein …!“ Zackige, weiße, mit Sägezähnen besetzte Kiefer klafften, schlossen sich, und Grimdahls drittes Bein verschwand im finsteren Schlund. Angesichts dieser brutalen Kraft packte ihn die Panik.
    „Neeeiin …“ Er merkte, daß er wimmerte. Drei Beine weg. Also hatte er noch drei. Es war sicher zu allgemein ausgedrückt – aber fünfzig Prozent seiner Beweglichkeit waren weg. Genau genommen sogar noch mehr. Drei Beine würden sich wohl nur unter Schwierigkeiten koordinieren lassen. Allerdings hatte er es noch nie versucht. Er hatte auch nie gedacht, daß er es würde versuchen müssen.
    Ein Schwarm winziger scharlachroter Elritzen bewegte sich wie ein einziger Organismus futtersuchend um die Stümpfe seiner Extensipoden. Nährflüssigkeit leckte aus dem Innern durch die Notversiegelung und formte brennendgelbrote Flecken im Wasser.
    Mühsam stellte Grimdahl seinen Körper auf das verbleibende Drehbein. Doch wieder schoß das Ding aus dem Dunkel heran und schnappte sich das vierte von Grimdahls Beinen. Mit nur zwei Stützen war der Wissenschaftler irreparabel kopflastig. Als sich nunmehr auch noch seine vorderen Sensoren in den Sand bohrten, wurde ihm klar, wie hochgefährlich seine Situation war. Lebensgefährlich.
    Halbbetäubt, merkte er kaum, daß ihm das fünfte Bein abgerissen wurde. Nur noch ein Extensipodum! War das auch noch weg, so war er völlig unbeweglich. Unbeweglichkeit bedeutete, daß er unbegrenzte Zeit unter Wasser blieb. Und das wiederum bedeutete ein langsames, aber unaufhaltsames Zuendegehen.
    Tod. Es war lange her, daß Grimdahl sich mit diesem Gedanken befaßt hatte. Tod. Grimdahl dachte über die Realität dieser Aussicht nach und wartete darauf, daß die Kreatur wiederkäme und gierig das sechste, das einzig noch vorhandene Glied wegschnappte. Ersticken. Widerlich, dachte der Gelehrte. Doch sein Sauerstoffvorrat war schließlich begrenzt, würde langsam immer mehr dahinschwinden, während er hier glieder- und kraftlos lag, und schließlich zu Ende sein. Es ist verdammt passiv, dachte er, halb vergraben in diesem ekelhaften Sand zu liegen und lautlos zu verrecken, während die Korallen seine Sensoren mit ihrer Kruste überzogen.
    Grimdahl brach zusammen. Er bat und bettelte und schrie über seinen Lautsprecher. Keine Antwort. Doch auch das Untier kam nicht wieder, um sein letztes Bein zu fressen.
    Nach einiger Zeit wurde Grimdahl ruhiger. Noch etwas später probierte er aus, was er mit seinem übriggebliebenen Extensipoden anstellen konnte. Glücklicherweise befand sich das Glied auf der nach oben gerichteten Körperseite. Er bohrte die Spitze tief in den Sand, spannte die Muskeln aller vier Gelenke. Sein Körper rührte sich – ganz wenig. Grimdahl konzentrierte sich mit aller Kraft auf die Anstrengung. Wieder veränderte sich seine Lage – ganz wenig. Um fast die gleiche Strecke, die er sich mit seinem kletternden Bein hochgezogen hatte, rutschte er wieder abwärts. Er wiederholte den Prozeß: die Klauenspitze des Extensipoden einschlagen, alle Muskeln anspannen, die Masse des Körpers zur Extensipodenspitze hinziehen. Wieder das Abrutschen – aber per Saldo ein Gewinn. Grimdahl wiederholte das Verfahren und versuchte, die Anzahl der Klimmzüge, die er würde machen müssen, theoretisch abzuschätzen.
    Von irgendwoher kam ihm der Gedanke: Obregon, steckst du vielleicht dahinter?
    Zufällig sah Grimdahl den winzigen Einsiedlerkrebs, der en miniature seine eigenen krabbelnden Bewegungen imitierte. Verdammte Crustazee! Der Einsiedlerkrebs kam schneller voran.
     
     
    In der großen, offenen Halle saßen sie unter einem gesegneten wolkenlosen Himmel in der warmen Vormittagssonne. Die distinguierten Mitglieder des Tancarae-Institutes, darunter eine ganze Anzahl unsterblich

Weitere Kostenlose Bücher