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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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weniger.»
    Er wollte sie nicht länger als eine
Viertelstunde im Meerwasser lassen. «Sonst haben Sie im Nu einen Sonnenbrand.
Um die Mittagszeit verbrennt man im Wasser genau wie an Land. Mit einer so
hellen Haut muß man besonders vorsichtig sein», und sie flüchteten in den
Schatten der Bäume, verweilten dort eine Weile, rauchten und kehrten dann
wieder jedes in seine Kabine zurück, um sich zum Essen im Restaurant ein wenig
mehr zu bekleiden.
    In australischen Hotels, hatte Joan
bemerkt, nimmt man es mit der Kleidung sehr genau. In Cairns zum Beispiel wird
selbst an den heißesten Sommertagen ein Herr ohne Jacke und Schlips im
Speisesaal nicht bedient, ebensowenig wie eine Dame in Hosen.
    Harman hatte für sie ein angenehm
leichtes Menü zusammengestellt: Kaltes Fleisch und Obst. Sie war gerührt, mit
welcher Aufmerksamkeit er sich bemühte, ihr Wochenende so erfreulich wie
möglich zu gestalten, und während sie sich Mühe gab, ihre Mangofrucht so
manierlich wie möglich zu essen, fragte sie: «Joe, warum habt ihr an einem Ort
wie Willstown nicht mehr frisches Obst? Gedeiht dort keines?»
    «Mangonen sehr gut», antwortete er; «es
gibt in Willstown vier Mangobäume. Haben Sie keine Mangonen bekommen?»
    «Ich habe nirgends welche gesehen. Zu
den Mahlzeiten im Hotel gab es keine.»
    «Kann sein. In Willstown macht man sich
nicht viel aus Obst. In Cooktown gibt’s eine ganze Allee von Mangobäumen; im
Frühsommer fährt man über die heruntergefallenen Früchte...»
    «Aber jeder Mensch hat gern Obst und
frisches Gemüse», wandte sie lebhaft ein. «Wenn man es nicht hat, wird man
krank.»
    «Es ist eben zu heiß, um wie anderswo
im Obst- und Gemüsegarten zu arbeiten», machte er geltend. «In der Gulf Country
gibt es ja nicht einmal genug Leute auf den Stationen. Wie soll man da noch
Obst und Gemüse pflanzen? Mindestens zwei Drittel unserer Ringer sind
Eingeborene. Und selbst die Boongs bleiben nicht gern im Outback. Sie laufen
einem weg.»
    «In Alice Springs», sagte Joan
nachdenklich, «gibt es reichlich frisches Gemüse.»
    «Das glaube ich! Alice, das ist etwas
anderes. Alice ist ein bonza Städtchen.» —
    Nach dem Essen schliefen sie während
der heißesten Tageszeit in ihren Schlafhütten. Vor dem Abendtee gingen sie noch
einmal baden und danach in der Abendkühle ans Ende des Landungssteges, wo sie
Sandkrabben fingen, auch etwa vier der rot und blau glitzernden Fische, aber
die darf man nicht essen, denn sie sind giftig und stechen, weshalb man sie nur
mit Handschuhen anfassen kann. Müde des unnützen Sports zogen sie bald ihre
Angeln ein und sahen die Sonne am Horizont hinter den Höhen des Athertoner
Oberlandes versinken.
    «Merkwürdig», sagte das Mädchen, in den
Anblick versunken, «da kommt man in eine wildfremde Gegend und fühlt sich nicht
fremd. Der Sonnenuntergang ist nicht anders als an schönen Sommerabenden in
England.»
    «Haben Sie hier vieles gesehen, was
ähnlich ist wie in England?»
    Sie lächelte verschmitzt. «Zwar nicht
auf der Grünen Insel und in Willstown erst recht nicht, aber in Cairns eine
Menge! Auf den Straßen parken Austin- und Vauxhall-Wagen. Überall liest man:
‹Kauft englische Waren!› Auch einen Tattersall gibt es und die Filiale der
Nordbritischen Versicherungsgesellschaft, und im Hotel hören Bankangestellte am
Radio die Übertragung der ‹Itma›. Die Zeitungsverkäufer rufen die Schlagzeilen
im gleichen Ton wie in London aus. Wenn ich nicht hinsah, kam ich mir vor wie
in Ealing.»
    «Ealing?» fragte er, «ist das der Ort
bei London, wo Sie in Stellung waren?»
    «Er gehört zu London; es ist ein
Vorort.»
    «Werden Sie wieder dort wohnen, wenn
Sie zu Hause sind?» fragte er, und sie antwortete sehr langsam: «Ich weiß
nicht, Joe... Ich weiß wirklich nicht, was ich jetzt anfangen soll...»
    Sie dachte, als sie da so weit draußen
allein beisammen auf dem Landungssteg saßen, er müsse sich nun endlich
erklären, aber er sagte kein Wort. Hätte sie nicht gewußt, daß er eigens
ihretwegen nach England geflogen war, sie wäre zur Überzeugung gelangt, daß er
sich nichts aus ihr mache.
    Sie gingen schlafen. Er sagte ihr gute
Nacht, suchte nicht einmal ihre Hände zu fassen; dann zog sich jedes in seine
Hütte zurück.
    Dort lag Joan lange wach und wußte
nicht, was sie von alledem halten sollte. Sie war fest davon überzeugt gewesen,
daß er auf der Grünen Insel über ihre Heirat sprechen werde, aber nun war
überhaupt nichts klar. Und dann...? Dann

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