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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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verlangte, nun wie ein Kaninchen
davonzurennen. «Ich habe dir eine Tasse Tee gebracht.»
    Er stützte sich auf. «Sag mir», fing er
an, «habe ich nur geträumt, oder war das gestern nacht wirklich?»
    «Ich glaube beinahe, es war wirklich,
Joe.»
    Er streckte die Hand aus: «Komm! Laß
dir einen Kuß geben!»
    «Aber was denkst du! Geküßt wird erst,
wenn du aufgestanden bist, gebadet hast und etwas mehr anhast.»
    Sie lachten, und er fragte: «Badest du
auch?»
    «Langschläfer, ich habe bereits gebadet
und gekocht, aber ich komme trotzdem mit dir und sehe dir zu.»
    «Hast du gut geschlafen?»
    «Wie ein Klotz.»
    «Ich auch.» Sie sahen sich lächelnd an
und verstanden einander.
    «In einer Minute komme ich zum Strand»,
sagte er.
    Dort saß sie im Sand, er lag im Wasser,
sie plauderten; er stieg heraus, ging sich rasieren, erschien alsbald in
langen, weiten leinernen Khakihosen und erhielt einen Kuß, noch ehe er darum
bat.
    Da noch kein Frühstück in Sicht war,
blieben sie in der kühlenden Morgenbrise dicht aneinandergeschmiegt am Strande
sitzen und sprachen, sprachen, sprachen so viel... Nun mangelte es nicht mehr
an Gesprächsstoff, und selbst ihr Schweigen war inhaltsreich.
    Als sie nach dem Frühstück bei der
letzten Tasse Kaffee Zigaretten rauchten, begann er auf einmal: «Ich habe eine
Idee. Sobald Mrs. Spears einen anderen Manager findet, lasse ich Midhurst
sein.»
    Joan war bestürzt. «Ich suche uns eine
Mastfarm hinter Alice oder Adelaide, zum Beispiel bei Mallala oder Hamley
Bridge oder Balaklava an der Bahn, nicht zu weit vom Schlachthaus und höchstens
fünf Meilen von der Stadt, damit man jederzeit hin kann. So was wird sich schon
finden.»
    Joan schwieg. Sie dachte nach. «Warum
willst du das, Joe?» fragte sie endlich. «Ist etwas mit Midhurst nicht in
Ordnung?»
    «Es ist zu weit abgelegen», erklärte
er. «Für einen Junggesellen mag es schön und gut sein, aber nicht für ein
Ehepaar, wie wir es werden. Adelaide ist eine bonza Stadt. Ich bin zwar
Queensländer, aber Adelaide gefällt mir bedeutend besser als Brisbane. Sydney
und Melbourne kenne ich nicht, aber Adelaide ist gut, mein Wort darauf! Da
gibt’s richtige Straßen, Geschäftsstraßen, eine Straßenbahn, Kinos, Tanzbars;
die Umgebung ist nett: Berge und Weinberge; da hast du Trauben, soviel du
willst; ich sage dir: auf einer Farm in der Nähe von Adelaide hätten wir’s
bonza!»
    «Aber Joe», wandte sie ein, «macht dir
denn diese Art Arbeit Freude? Vieh vom Outback zu kaufen und zu mästen? Mir
kommt das stumpfsinnig vor. Hast du den Outback satt?»
    Er trat seine Zigarette auf dem
Fußboden mit dem Absatz aus. «Es gibt Plätze, die für Alleinstehende taugen,
und Plätze für Eheleute, wie wir es werden. Heiraten heißt: sich umstellen.»
    Sie hatten den breiten Frühstückstisch
zwischen sich, und das war für ihre kaum errungene Zweisamkeit ein allzu großer
Zwischenraum. Eine so wichtige Frage konnte sie nicht mit ihm besprechen, ohne
wenigstens seine Hand zu fassen, und sie schlug vor: «Gehen wir an den Strand!»
Und als sie dort ein schattiges Rasenplätzchen gefunden und sich niedergelassen
hatten, fuhr sie ihm lind über den Arm und sagte so langsam wie ein Queensländer:
«Ich halte das nicht für richtig, Joe. Ich finde es falsch, aus dem Outback
wegzuziehen, bloß weil wir heiraten wollen!»
    Er lächelte gütig. «Die Gulf Country
ist für eine junge Frau nicht der rechte Ort, nicht einmal, wenn sie dort
geboren und aufgewachsen ist. Etliche Ehepaare aus England haben es probiert,
ich hab’s miterlebt, aber es ist nicht geglückt. Das Leben ist dort anders,
viel zu hart.»
    «Ich weiß, daß es anders und hart ist»,
gab die Verlobte zu; «ich habe nicht umsonst drei Wochen in Willstown gelebt,
lieber Joe.» Sie nahm seine Rechte zwischen ihre Hände, streichelte die
gespenstischen Narben und redete weiter: «Ich weiß, wovor du Angst hast, Joe.
Du meinst, daß ein Mädchen wie ich, das geradewegs aus England kommt, im
Outback unglücklich wird. Du fürchtest, ich werde nervös und komme mit
allerhand Ausreden: ‹Ich muß einkaufen, ich muß zum Zahnarzt› und so weiter,
bloß um wieder einmal in die Stadt zu entwischen! Du befürchtest, mit Midhurst
mutest du mir zuviel zu, und unsere Ehe geht in die Brüche?» Sie sah ihn voll
an. «Sage mir, Joe: Ist das der Grund? Hast du davor Angst?»
    Er erwiderte ihren Blick. «Richtig! Ich
habe nicht das Recht, meine englische Braut in ein Drecknest wie

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