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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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durch einen dunklen Tunnel
geschritten und trete nun plötzlich ans Licht. Beten möchte sie, aber sie war
nie fromm; sie weiß ihre Gefühle nicht in Gebetsform zu kleiden; sie kann
höchstens noch einzelne Worte aus einem Schulgebet: «Erleuchte unsere
Dunkelheiten, o Herr... Von Deiner unendlichen Gnade —». Das ist alles, was ihr
im Gedächtnis blieb und was sie an diesem Nachmittag immerzu wiederholt:
«Erleuchte unsere Dunkelheiten...» Ihre Dunkelheit ist durch eine Botschaft
erleuchtet, die drei Brunnengräber ihr brachten.
    Nach Feierabend begibt sie sich zu ihnen,
um Näheres zu erfahren. Sie aber wissen nicht mehr, als daß der Australier
lange Zeit im Spital war.
    «Ein Jahr», meint Yacob, aber das soll
bei ihm wohl soviel bedeuten wie: sehr lange.
    Hussein sagt: «Drei Monate», und
Suleiman weiß keine Zeit, wohl aber, daß der Australier danach nach Singapore
in ein Gefangenencamp geschafft wurde. «Er ist an zwei Krücken gegangen.»
    «Wann?» Das ist nicht zu ergründen.
    Joan bleibt in Kuala Telang, bis der
Brunnen und das Waschhaus fertig sind.
    Sie hat nach langen Beratungen mit den
älteren Weibern die Zimmerleute den Bau des Waschhauses beginnen lassen.
Fundament und Ausguß sind bereits fertig und trocken. Am gleichen Tag, da die
Brunnenbauer auf Grundwasser stoßen, werden die Stützpfosten des Bambushauses
aufgerichtet.
    Brunnen und Haus sind zu gleicher Zeit
fertig. Zwei Tage lang muß noch das Schlammwasser aus der Tiefe herausgeschöpft
werden; dann fließt das Wasser rein und klar. Bei der Einweihungsfeier wäscht
Mem Paget ihren alten Sarong. Alle Weiber umdrängen sie jubelnd und unter
lautem Gelächter.
    Draußen stehen die Männer im Kreise,
erst nachsichtig lächelnd, später bedenklich.
    «War es nicht am Ende doch unklug, ein
Ding zu billigen, das unseren Weibern Anlaß zu solcher Heiterkeit gibt?!»
    Am folgenden Tag schickt Joan einen
Boten nach Kuala Rakit mit einem Telegramm an Wilson-Hays. Darin bittet sie ihn
um den Jeep, und kaum zwei Tage danach ist derselbe zur Stelle. Von vielen,
herzlichen Wünschen begleitet, bricht sie in Eile auf. In ihren Augen schimmert
es naß. Gewiß, es geht heimwärts, und ist doch nicht leicht. Drei Jahre ihres
Lebens läßt sie in Kuala Telang zurück.
    Als sie in der Dunkelheit beim
Regierungshaus in Kota Bahru eintrifft, ist sie so müde, daß sie sich nicht zu
Tisch setzen kann. Mrs. Wilson-Hays schickt ihr Tee und Früchte ans Bett. Zum
letzten Male, wie sie meint, legt Joan die Eingeborenentracht ab und nimmt ein
heißes Bad, liegt danach in ihrem kühlen, geräumigen Zimmer unterm Moskitonetz,
entspannt sich, und während langsam der Schlummer naht, denkt sie an einen
Ringer mit Namen Joe Harman, sieht die rote Erde, von der er sprach, das Land
um Alice Springs... Wildpferde... Känguruhs...
     
    Am Morgen wandelt sie mit Mr.
Wilson-Hays nach dem Frühstück im kühlen Garten, erzählt ihm von Kuala Telang,
und als er sie fragt, wie sie auf die Idee mit dem Waschhaus gekommen sei, sagt
sie: «Das lag in der Luft; Frauen waschen ihr Zeug nur ungern vor aller Augen,
vor allem Mohammedanerinnen!»
    «Da haben Sie anscheinend etwas
angefangen...!» bemerkte der Regierungsmann nachdenklich. «Jetzt wird jedes
Nest so ein Waschhaus verlangen! Woher hatten Sie denn die Baupläne und die
Entwürfe?»
    «Die haben wir uns selbst ausgedacht.
Die Frauen dort wissen genau, was sie wollen.»
    Sie wanderten am Ufer des Flusses, der
sich in einer Breite von fast achthundert Metern braun und schlammig ins Meer
ergießt. Und nun erzählte das Mädchen von dem Australier. Sie hatte nun keine
Beklemmungen mehr, wenn sie von ihm sprach.
    «Ich möchte mich so gerne mit ihm in
Verbindung setzen, er heißt Joe Harman. Ob sich in Singapore etwas ermitteln
läßt? Was meinen Sie?»
    «Schwerlich», sagte Mr. Wilson-Hays.
«Nach so vielen Jahren! Ein Verzeichnis der Kriegsgefangenen ist sicher nicht
mehr vorhanden.»
    «Aber es muß sich doch feststellen
lassen —»
    «Sie sagen, er ist Australier?» Sie
nickte. «Dann schreiben Sie am besten direkt nach Canberra. Dort wird
vermutlich ein Verzeichnis vorhanden sein. Wissen Sie zufällig seinen
Truppenteil?»
    «Leider nein.»
    «Das erschwert natürlich die
Nachforschungen. Wenden Sie sich zunächst an den Chef des australischen
Kriegsministeriums. Adresse: Minister for the Army, Canberra, Australien! Von
dort wird man Ihnen bestimmt antworten. Sie wollen doch weiter nichts als eine
Angabe, wohin Sie ihm

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