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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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Sie
erzählte getreulich alles, was sich in Kuala Telang zugetragen hatte, und daß
Joe Harman noch lebe. Dann fuhr sie fort:
     
    Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie
ich mich mit ihm in Verbindung setzen kann. Du wirst mich verstehen: Wegen uns
ist ihm all das Schreckliche zugestoßen. Für uns hat er die Hühner gestohlen
und sicher gewußt, wie riskant das ist; er hat gewußt, was dieser Sugamo für
ein Mensch ist. Ich muß herausfinden, wo er jetzt ist und ob es ihm gut geht.
Ich kann mir kaum vorstellen, daß er nach diesen entsetzlichen Verletzungen
wieder als Cowboy reiten kann. Ich halte ihn zwar für den Mann, der immer
wieder auf seine Füße fällt, und doch ist der Gedanke mir unerträglich, er
liege wieder in einem Spital, vielleicht für immer — und nur wegen uns.
    Ich wollte erst nach Wollara schreiben,
der Viehstation, von der er mir erzählt hat, irgendwo in der Nähe von Alice
Springs. Aber dann habe ich es mir überlegt. Wenn er nicht mehr arbeiten kann,
ist er nicht dort, und ich glaube kaum, daß man mir von dort antworten wird —
oder erst Gott weiß wann. Nach Canberra zu schreiben, scheint mir ebenso
nutzlos. Und damit, lieber Noel, komme ich auf das, was ich Dir zu sagen im
Sinne hatte, als ich den Brief begann. Bitte, Noel, erschrick nicht! Ich fahre
von hier nach Australien.
    Halte mich, bitte, nicht für komplett
verrückt, daß ich etwas unternehme. Der Flug von hier nach Darwin kostet in
einer «Constellation» sechzig Pfund. Von dort geht ein Bus nach Alice. Er
braucht drei Tage, ist aber viel billiger als das Flugzeug. Wenn ich hier die
Hotelrechnung bezahlt habe, bleiben mir noch etwa hundertsieben Pfund,
ungerechnet den nächsten Monatsscheck. Von Alice will ich nach Wollara; ich bin
überzeugt, daß irgend jemand in der Gegend Bescheid weiß, was mit Joe geschehen
ist und wo er jetzt wohnt.
    Hier im Hotel wohnen einige sehr nette
junge Leute von der Handelsmarine, die mir versichern, ich könne dann mit einem
Frachtdampfer wieder nach England, wahrscheinlich ab Townsville, das liegt an
der Ostküste von Australien in Queensland, und wenn von da kein Boot geht, dann
gewiß von Brisbane. Ich habe auch schon mit einem Herrn von der Chartered Bank
am Raffles Place gesprochen. Er war außerordentlich zuvorkommend, und ich habe
den Auftrag gegeben, daß man mir das nächste Monatsgeld an die Bank of New
South Wales in Alice Springs überweist; ich habe dann also genügend Geld, um
von dort nach Townsville bzw. Brisbane zu reisen. Bitte, lieber Noel, schreibe
mit c/o Bank of New South Wales, Alice Springs! Ja, bitte, schreibe mir! Ich
weiß schon jetzt — ich werde mich dort sehr fern der Heimat fühlen.
    Ich fliege diesen Donnerstag. Die
«Constellation» wird ungefähr um die Zeit, da Du diesen Brief erhältst, in
Australien sein. Ich mache Dir wohl schreckliche Mühe, lieber Noel? Aber wenn
ich wieder daheim bin, werde ich um so mehr zu erzählen haben — unglaublich
viel! Die Fahrt ab Townsville oder Brisbane dauert nicht viel länger als drei
Monate, höchstens! Da bin ich also spätestens zu Weihnachten wieder daheim...
     
    Ich saß und las, las und war bitter
enttäuscht. Was hatte ich nicht für ihre baldige Heimkehr geplant! So vieles,
was sie erfreuen und unterhalten könnte... Ja, ja, alte Leute, deren Leben so
wenig Inhalt hat wie das meine, können mitunter recht albern sein...
    Mein Kompagnon Lester Robinson trat mit
einem Stoß Akten ein, als ich eben den Brief zum dritten Male las; ich ließ ihn
sinken und sagte: «Meine kleine Paget — Sie erinnern sich der
Macfadden-Erbschaft, die wir für sie zu verwalten haben — kommt nicht zurück.
Sie ist von Malaya nach Australien...»
    Er las mir wohl die Enttäuschung vom
Gesicht, denn er sagte mitfühlend: «Wissen Sie nicht mehr, wie ich Ihnen gesagt
habe, die Kleine sei alt genug, um eine ganze Menge Aufregungen zu
verursachen?»
    Ich blickte rasch auf, um zu sehen, was
er damit meine. Aber da sprach er schon von einer wegerechtlichen Angelegenheit
in Colchester, wohl mit Vorbedacht, um abzulenken...»
    Ach, Ablenkung! Meine Arbeit, in die
ich mich zu vertiefen suchte, gewährte mir keine. Mein Klub, in den ich mich
begab, noch viel weniger. Die trübe Stimmung blieb. Nach dem Dinner nahm ich
mir aus der Klub-Bibliothek einen Band Horaz. Vielleicht würde mich die
immerhin etwas anstrengende Beschäftigung mit einem lateinischen Text etwas
ablenken... Oh, da kannte ich meinen Horaz aber schlecht! Ich schlug ihn

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