Eine Stadt wie Alice
schreiben können?»
Joans Blick schweifte über die Weite
des Flusses zu den Gummibäumen und Kokospalmen am anderen Ufer, und ihr kam in
den Sinn:
«Ich wüßte vielleicht einen
Anhaltspunkt für seinen Aufenthalt. Vor dem Krieg hat er auf einer sogenannten
Viehstation mit Namen Wollara gearbeitet, der nächste größere Ort heißt Alice
Springs. Er hat gedacht, man werde ihm seinen Posten offenhalten.»
«Dann schreiben Sie doch einfach
dorthin, Miss Paget! Sie bekommen gewiß rascher Antwort als aus Canberra.»
«Ja, das geht», meinte sie
nachdenklich, und gleichsam entschuldigend setzte sie hinzu: «Ich möchte ihn,
wenn es irgend möglich ist, wiedersehen. Wir waren doch schuld an allem, was er
gelitten hat...»
Es war ihre Absicht, in Singapore auf
eine geeignete Rückreisemöglichkeit nach England zu warten, und wenn sich keine
billige finden ließ, für einige Wochen oder Monate in Stellung zu gehen. Die
«Dakota» der Malayan Airways sollte am folgenden Tage in Kota Bahru eintreffen
und auf dem Flug nach Singapore in Kuantan landen.
Darauf bezog sich die Frage, die Joan
nach dem Dinner an Mr. Wilson-Hays richtete: «Was meinen Sie, wenn ich den Flug
in Kuantan für einen Tag unterbreche? Könnten Sie mir dort ein Hotel oder ein
Unterkunftshaus empfehlen?»
Er sah sie teilnahmsvoll an: «Wollen
Sie wirklich noch einmal dorthin?»
«Ich denke, doch!» antwortete sie.
Vielleicht kann ich im Spital etwas über Harman erfahren.»
«Dann wohnen Sie am besten beim
Distriktsbevollmächtigten David Bowen und seiner liebenswürdigen Gattin Joyce;
sie wird Sie gewiß mit dem größten Vergnügen aufnehmen.»
«Ich möchte nicht gern jemandem zur
Last fallen», lehnte das Mädchen ab. «Es gibt dort sicher ein billiges
Unterkunftshaus. Die Gegend kenne ich ja zur Genüge.»
«Bowens möchten Sie gewiß
kennenlernen», beharrte Wilson-Hays auf seinem Vorschlag. «Vergessen Sie nicht:
Sie sind hierzulande eine Berühmtheit. Bowens wären sehr enttäuscht, wenn Sie
anderwärts logierten.»
«Ich — eine Berühmtheit, mein Gott! Ich
habe doch nur getan, was jede andere auch hätte tun können!»
«Möglich», versetzte er, «aber Sie
haben’s getan!»
Am nächsten Tag flog Miss Paget nach
Kuantan.
Irgend jemand mußte wohl die
Flugzeugbesatzung über sie orientiert haben, denn nach einer halben Stunde kam
die malaiische Stewardeß zu ihr mit der Mitteilung: «Miss Paget, wir überfliegen
jetzt gleich Kuala Telang. Flugkapitän Philby läßt fragen, ob Sie es von seiner
Kabine aus sehen wollen; Sie möchten dann, bitte, nach vorne kommen.»
Sie folgte der Einladung, ging durch
die Verbindungstüre und trat zwischen die beiden Piloten. Diese senkten die
«Dakota» auf etwa zweihundert Meter, kreisten über dem Dorf, und Joan sah ihren
Brunnen, das neue Palmblätterdach ihres Waschhauses und gewahrte unter den
Menschen, die zum Flugzeug emporstaunten, die alte Zubeidah und Fatimah — und
dort: Mat Amin! Doch schon stieg die Maschine wieder hoch und flog die Küste
entlang. Kuala Telang lag hinter ihr.
Auf dem Flugfeld von Kuantan, das zehn
Meilen außerhalb des Ortes liegt, wurde sie von Joyce und David Bowen, denen
Wilson-Hays in der Frühe telegrafiert hatte, abgeholt. Sie waren ein
freundliches, schlichtes Paar, und als sie mit ihnen bei einer Tasse Tee im
gleichen Wohn- und Dienstgebäude des Distriktsbevollmächtigten saß, in welchem
der Hauptmann Sugamo sein grausiges Wesen getrieben, erzählte sie ihnen, ohne
zu zögern und ungezwungen, von dem australischen Sergeanten, den Sugamo
gefoltert hatte. Mr. Bowen teilte ihr mit, die Leitung des Krankenhauses stehe
seit einiger Zeit unter Oberschwester Frost. Ob noch irgend jemand vom
damaligen Personal vorhanden sei, bezweifle er. Nach dem Tee fuhr das Ehepaar
mit ihr zu Schwester Frost.
Diese, eine etwa vierzigjährige
typische Engländerin, empfing sie in ihrem karbolduftenden Amtsraum und
bestätigte Mr. Bowens Vermutung: «Nein, von denen, die 1942 hier waren,
arbeitet niemand mehr bei uns. Die Schwestern werden hierzulande rasch
weggeheiratet. Wenn eine zwei Jahre lang bleibt, ist es schon viel. Ich weiß
wirklich nicht, was ich Ihnen da raten soll.»
«Was ist denn mit Phyllis Williams?»
fragte Bowen. «Die war doch meines Wissens hier Schwester.»
«Ach, die!» machte die Oberschwester
verächtlich. «Die war hier in der ersten Kriegszeit, bis sie den Kerl
geheiratet hat. Möglich, daß sie etwas weiß.»
Auf der Fahrt zur ehemaligen
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