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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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wenn
sie mit ihm über Angelegenheiten der englischen Frauen gesprochen hatte. Nun
ging es um die seiner eigenen.
    Joan nippte Kaffee und sprach von der
Dankesgabe. Sie solle dem Ort ein Erinnerungszeichen sein an die weißen Frauen
und an die Güte, mit der Kuala Telang sie aufnahm.
    «Mein Weib schwätzt schon den ganzen
Tag von nichts anderem», sagte das Oberhaupt. «Also ein Brunnen?»
    «Ja», sagte die Geberin. «Und er ist
eine Gabe der englischen Mems und ihrer Kinder für Kuala Telang. Und da wir
Frauen sind, scheint es uns schicklich, daß es ein Geschenk an eure Frauen ist.
Als wir hier lebten, da merkten wir, welche Mühsal es für sie ist, zweimal am
Tag das Wasser von der Quelle zu holen, und sie taten uns leid. Noch als ich
schon wieder in England war, mußte ich immer dran denken. Drum soll ein Brunnen
mein Dank an euch sein, und mitten im Dorf soll er stehen.»
    «Unsern Müttern und Großmüttern war der
Gang zur Quelle zweimal am Tag nicht zuviel. Wenn unsere Frauen das Wasser
gleich vor die Nase bekommen, werden sie nur begehrlich und übermütig.»
    «Sie werden mehr Kraft haben, Euch treu
und von Herzen zu dienen, Mat Amin. Wißt Ihr denn nicht mehr, daß Raihana ihr
erstes Kind verlor, als sie im dritten Monat der Schwangerschaft Wasser
schleppte?»
    Der fromme Mann war schockiert, daß sie
von so etwas sprach, doch er wußte: Die englischen Mems nehmen sich kein Blatt
vor den Mund.
    Und Mem Paget fuhr fort: «Raihana war
danach ein Jahr lang krank und ist seitdem für ihren Gatten nicht mehr
tauglich. Hätten euere Frauen damals den Brunnen gehabt, den ich euch zum Dank
geben will, so wäre das Unglück nicht eingetreten.»
    «Es steht geschrieben», sprach der
fromme Mat Amin, «‹Gott allein bestimmt über das Leben der Weiber wie über das
Leben der Männer.›»
    Sie lächelte lieb: «Muß ich Euch daran
erinnern, Mat Amin, daß auch geschrieben steht: ‹Gier ist des Menschen Natur,
doch so du gut bist zu Frauen und dich scheuest, sie leiden zu lassen, so sieht
Gott es mit Wohlgefallen.›»
    Lachend schlug er sich auf die
Schenkel: «Als ihr hier wart, hast du mir das jedesmal gesagt, wenn du etwas
haben wolltest. Seitdem habe ich’s nie mehr gehört!»
    «‹Gut sein zu Frauen›, heißt jetzt:
ihnen den Brunnen gewähren», erklärte sie.
    Er lachte noch immer und meinte:
«Si-Joan, ich sag dir eines: Wenn Frauen auf so etwas versessen sind wie auf
diesen Brunnen, den du ihnen versprochen hast, dann bekommen sie’s meistens.
Doch dies ist wiederum eine Frage, welche das ganze Dorf angeht, und ich muß
sie mit den Brüdern beraten.»
     
    Am folgenden Morgen tagte der Dorfrat,
und alle Männer hockten im Schatten des Bambus-Markthauses auf ihren Fersen.
Doch schon nach kurzer Beratung schickten sie nach Mem Joan, und diese hockte
sich ebenso hin, wenn auch in einem einer Frau schicklichen Abstand, und als
man sie fragte, wo der Brunnen zu graben und das Waschhaus zu errichten sei,
antwortete sie, dies sei gänzlich den Männern anheimgestellt, doch sei es für
die Frauen gewiß am geeignetsten, wenn der Brunnen auf dem Platz vor Chai Sans
Laden und das Waschhaus westlich davon stünde, und sie zeigte in Richtung auf
Ahmeds Haus.
    Hierauf erhoben sich alle, gingen den
Bauplatz besichtigen, erörterten alle einschlägigen Fragen, und sämtliche
Frauen des Dorfes standen um sie herum und bestaunten sowohl ihre Herren und
Gebieter, wie sie eine so schwerwiegende Entscheidung trafen, als auch die Mem,
weil sie mit ihnen fast wie mit ihresgleichen verhandelte. Aber die Mem drängte
die Männer nicht. Nicht umsonst hatte sie drei Jahre lang im Dorfe gelebt. Sie
kannte die Langsamkeit ihres Denkens und die Vorsicht, mit der sie allem Neuen
begegneten. Zwei Tage brauchte der Dorfrat, bis er zu der Erkenntnis gelangte,
es sei gut, einen Brunnen zu haben, und wenn sie die Sache in Angriff nähmen,
werde sich Gottes Zorn nicht gegen sie wenden.
    Brunnengraben ist eine Kunst, und an
der ganzen Küste gab es nur eine Familie, der das Werk anzuvertrauen war. Sie
wohnte weit weg, fünf Meilen vor Kuantan. Mat Amin diktierte einen Brief, damit
ihn der Imam des Dorfes in der Jawi-Schrift niederschreibe. Man brachte ihn auf
die Post nach Kuala Rakit und gab ihn dort auf. Joan aber bestellte aus Kota
Bahru fünf Sack Zement und richtete sich auf längeren Aufenthalt in Kuala
Telang ein, denn nun hieß es warten.
    Oft fuhr sie mit den Fischern aufs Meer
hinaus oder spielte mit den Kindern am Strand,

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