Eine Stadt wie Alice
das macht
was aus! Bis es so weit war, hat’s immerhin drei Wochen gedauert. Ende Oktober
soll ich wieder in Midhurst sein. Dann muß das Vieh herein, denn gegen
Weihnachten fängt’s an zu regnen. Da dachte ich, es ist besser, ich fliege
jetzt auf Ferien.»
Die Flugpassage, sagte ich mir, muß ein
gehöriges Loch in seine tausend Pfund gerissen haben. «Sie sind also in London
angekommen und von da gleich nach Southampton?»
«Richtig.»
«Und von dort aus nach Nordwales? Und
von dort wieder hierher?»
«Richtig.»
Ich sah ihm in die Augen, lächelte und
konstatierte: «Es liegt Ihnen sehr viel daran, Miss Paget zu sprechen.»
Er hielt meinen Blick aus und sagte:
«Sehr!»
Ich lehnte mich in meinen Sessel
zurück: «Mr.Harman,ichmußIhnen leider eine Enttäuschung bereiten. Miss Paget
ist zur Zeit im Ausland.»
Er guckte betreten auf seinen Hut, hob
dann den Kopf und fragte: «Ist sie weit weg? Wenn sie in Frankreich oder da
irgendwo ist, kann ich sie ja noch sehen.»
«Sie ist nach dem Osten gefahren.»
«Ach so!» sagte er still und gelassen.
Ich mußte den Mann bewundern.
Augenscheinlich hatte er die zwölftausend Meilen, oder wieviel es sind, nur
wegen Joan Paget zurückgelegt — und nun war sie weg. Mit welchem Anstand er
dieses Riesenpech aufnahm! Der Mann gefiel mir. Sein Vorhaben war des
Nachdenkens wert. Aber dazu brauchte ich etwas Zeit.
«Im Augenblick kann ich für Sie nicht
mehr tun, als einen Brief an Miss Paget weiterzuleiten. Wenn Sie ihn mir geben
wollen, werde ich ihn per Flugpost nachsenden. Bis eine Antwort kommt, kann es
allerdings etwa einen Monat dauern.»
Er blickte erleichtert auf. «Ich warte
gern. Ich habe wirklich nicht daran gedacht, sie könnte auf einem Walkabout
sein...» Er überlegte und fragte dann, wie er den Brief adressieren solle.
«Ich darf, wie gesagt, die Adresse
eines Klienten ohne dessen ausdrücklichen Auftrag nicht mitteilen. Ich kann
Ihnen nur empfehlen: Schreiben Sie ihr und bringen Sie mir morgen den Brief! In
einem kurzen Begleitschreiben werde ich ihr mitteilen, wie er in meine Hände
kam. Wenn dann Miss Paget Sie zu sehen wünscht, wird sie sich direkt mit Ihnen
in Verbindung setzen.»
«Sie glauben, sie will mich nicht
sehen?» fragte er bedrückt.
«Das wollte ich damit keineswegs sagen,
Mr. Harman. Ich bin überzeugt, wenn sie erfährt, daß Sie in England waren und
sie besuchen wollten, wird sie Ihnen gewiß schreiben.» Ich mußte unwillkürlich
lächeln, betonte aber nochmals, als Anwalt hätte ich ihre Interessen
wahrzunehmen und dürfe nicht ohne weiteres jedem, der zu mir kommt, ihre
Adresse mitteilen. «Sie müssen wissen, und das brauche ich Ihnen nicht zu
verheimlichen: Miss Paget ist eine recht wohlhabende Dame, und eine Frau mit
viel Geld ist das Ziel vieler Glücksjäger — ich will nicht behaupten, daß Sie
einer sind oder es auf ihr Geld abgesehen haben. Ich sage nur: Erst müssen Sie
ihr schreiben. Dann soll sie entscheiden, ob sie sich mit Ihnen treffen will.
Als guter Freund werden Sie gewiß einsehen, daß dies das einzig Vernünftige
ist.»
Bestürzt sah er mich an. «Ich habe nie
gewußt, daß sie Geld hat. Mir hat sie gesagt, sie ist Stenotypistin.»
«Sie hat Ihnen die Wahrheit gesagt. Sie
ist erst vor kurzem durch eine Erbschaft zu Geld gekommen.»
Er sagte kein Wort.
«Wenn Sie morgen am Vormittag wieder
hierherkommen, Mr. Harman —» ich sah in meinen Terminkalender, «oder sagen wir:
um zwölf — ist es Ihnen recht?»
Er sagte wieder nichts.
«Schreiben Sie inzwischen den Brief!
Teilen Sie ihr alles Notwendige mit und bringen Sie ihn hierher; er geht dann
am Abend per Flugpost ab!»
«All right.»
Er stand auf. Ich begleitete ihn zur
Tür, fragte noch, wo er abgestiegen sei.
«Im ‹Kingsway Palace›», antwortete er
und wiederholte: «Also morgen um zwölf!»
Hatte ich recht getan, ihm die Adresse
vorzuenthalten? Zerknirscht mußte ich den ganzen Abend denken: Joan wäre gewiß
außer sich, wenn sie es wüßte. Wo sie doch in ganz Australien nach dem Manne
fahndete... Aber schließlich erlitt durch mein Verhalten die Beförderung seines
Briefes an sie keinen Aufschub. Ich hielt es auch nicht für angebracht, ihn
ohne weiteres in ihre Karten gucken zu lassen. Was mich ein wenig stutzig
machte, war zudem der Umstand, daß er ausgerechnet jetzt, nach sechs Jahren,
auf einmal das dringende Bedürfnis fühlte, Joan wiederzusehen! Der Sache mußte
ich auf den Grund gehen, und ich beschloß, wenn er mit seinem
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