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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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aufs
Geratewohl auf, und schon sprang ein Satz mir ins Auge — wohl seit einem halben
Jahrhundert hatte ich ihn nicht mehr gelesen:
     
    «...Dulce
ridentem Lalagen amabo,
    Dulce
loquentem.»
     
    Zwei unvergängliche Zeilen. Sie waren
ein Stück meiner Jugend gewesen und nicht nur meiner: zahlloser Gymnasiasten,
Studenten aller Fakultäten — das unvergängliche, wehmütig holde Finale der
Liebe. Und da saß ich nun mit meinen siebzig Jahren und dachte an Lalage, ihr
süßes Lachen, ihr süßes Gespräch und sah sie im Überland-Autobus auf der Fahrt
nach Alice Springs.
     
    Sive
per Syrtes iter aestuosas,
    Sive
factura per inhospitalem
    Causasum
vel quae loca fabulosus
    Lambit
Hydaspes... Panong...
    Telang...
Rakit... Alice...
     
    Endlich entriß ich mich meinen
Träumereien und stellte die Oden wieder in ihr Regal.
     
    Es war, wenn ich mich nicht irre, eine
Woche danach — ein Klient hatte sich eben verabschiedet — , als Derek Harris
hereinkam. Derek ist einer unserer beiden Praktikanten, ein netter frischer
Junge; vielleicht werde ich ihn einmal in die Firma aufnehmen.
    «Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für
einen Unbekannten?» fragte er.
    «Ja, wie heißt er denn?»
    «Harman. Er kam unangemeldet vor etwa
einer Stunde. Bürodiener Gunning fragte mich, da Sie Ihre Besprechung hatten,
ob ich mit ihm reden wolle. Ich habe es auch getan, aber er will unbedingt Sie
sprechen, Sir. Soweit ich ihn verstanden habe, hat es irgend etwas mit Miss
Paget zu tun.»
    Harman... Der Name war mir allerdings
recht geläufig, aber es war doch — das war doch unmöglich! «Wie sieht er denn
aus?»
    Derek grinste. «So ein richtiger
Freiluftmensch, nach seiner Sprache ein Kolonialer, wahrscheinlich Australier.»
    «Macht er einen vernünftigen Eindruck?»
    «Das wohl, Sir. Vielleicht etwas
bäurisch...»
    Das hätte soweit alles zutreffen
können. Aber es war doch einfach unglaublich, daß der australische Cowboy und
Viehzüchter den Weg zum Chancery Lane in meine Kanzlei finden sollte... «Heißt
er zufällig Joseph?» fragte ich vorsichtshalber.
    «Ach, Sie kennen ihn? Joe Harman. Ja.
Soll ich ihn heraufbitten?»
    «Ja, sofort!»
    Harris ging ihn holen. Ich stand am
Fenster, schaute hinaus auf die graue Straße und sann. ‹Was hat dieser Besuch
zu bedeuten? Wie ist der Mann an mich gelangt? Was darf ich ihm von dem, was
Joan mir im Vertrauen erzählte und schrieb, mitteilen?›
    Als Harris ihn einließ, wandte ich mich
um und sah: Er war blond, mittelgroß, breit, doch nicht fett und meiner
Schätzung nach zwischen Dreißig und Fünfunddreißig. Seine Haut war stark
gebräunt, aber rein. Augen von strahlendem Blau. Er war nicht das, was man
einen schönen Mann nennt; dazu war sein Gesicht zu kantig und zu bestimmt. Aber
es war ein schlichtes und gutmütiges Gesicht.
    In merkwürdig steifer Haltung schritt
er auf mich zu. Wir reichten uns die Hände.
    «Mr. Harman?» sagte ich, «mein Name ist
Strachan. Sie wollten mich sprechen?» Und während ich dieses sagte, konnte ich
der Versuchung nicht widerstehen, herunter auf seine Hand zu sehen. Auf dem
Handrücken war eine große Narbe.
    «Ich will Ihre Zeit nicht zu lange in
Anspruch nehmen», sagte er verlegen und etwas ungeschickt.
    «Oh, bitte sehr! Nehmen Sie nur Platz,
Mr. Harman, und sagen Sie, womit ich Ihnen dienen kann!»
    Ich wies auf den Klientenstuhl vor
meinem Schreibtisch und offerierte ihm Zigaretten. Er bediente sich, entnahm seiner
Tasche eine kleine Zinnschachtel mit Wachszündhölzchen, wie ich sie noch nie
gesehen hatte, und zündete eines geschickt am Daumennagel an. Ich muß noch
bemerken, daß sein Anzug sehr neu, offenbar fertig gekauft und sein Schlips für
Londoner Begriffe zu grell war.
    Er sagte: «Ich wüßte gern, was Sie mir
von Miss Joan Paget erzählen können, vor allem, wo sie wohnt.»
    Ich lächelte. «Miss Paget ist meine
Klientin, was Ihnen offenbar bekannt ist, und die Angelegenheiten seiner
Klientin muß der Anwalt, wie Ihnen gewiß ebenfalls bekannt ist, vertraulich
behandeln. Sind Sie mit ihr befreundet?»
    «Sozusagen», gab er zur Antwort. «Wir
haben uns im Krieg kennengelernt... in Malaya. Sie müssen natürlich erst
wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Ich bin nämlich Queensländer. Ich leite da
eine Viehstation in der Gulf Country, etwa zwanzig Meilen von Willstown.» Er
sprach sehr langsam und bedächtig, nicht aus Verlegenheit; es schien vielmehr
seine Art zu sein. «Das heißt: Das Gehöft ist zwanzig Meilen von Willstown,

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