Eine Stuermische Nacht
gerichtet.
»Nein«, sagte Barnaby milde, nicht willens, sich vom Thema ablenken zu lassen, »es bringt uns zu Miss Emily zurück und was sie hier in Jungenkleidern getan hat, und was Jeb heute dort draußen auf dem Meer zu schaffen hatte.«
Kapitel 3
Mrs Gilberts Freundlichkeit verschwand, und ihre Lippen wurden schmal, während sie und Barnaby einander anstarrten, keiner von beiden bereit, auch nur einen Zoll nachzugeben. Flora blickte vom Gesicht ihrer Mutter zu dem des Mannes und wieder zurück, dann seufzte sie. Sie berührte ihre Mutter am Ärmel und sagte halblaut:
»Ma, wir können ihm vertrauen. Er hat gesehen, wie Emily in den Schrank gestiegen ist, aber er hat das mit keiner Silbe dem Squire gegenüber erwähnt.«
»Bloß weil er Miss Emily nicht an den Squire verraten hat, heißt das nicht, dass wir ihm trauen können«, erwiderte Mrs Gilbert unerbittlich. Ohne den Blick von Barnabys dunklen Zügen abzuwenden, fügte sie hinzu:
»Woher wollen wir wissen, dass er nicht nur aus dem Grund geschwiegen hat, damit wir ihm trauen? Und ich möchte dich daran erinnern, dass wir nur sein Wort haben, dass er ist, wer er zu sein behauptet.« Mit harter Stimme fuhr sie fort:
»Er muss nicht wissen, was wir tun. Meines Wissens nach könnte er ebenso gut ein Zollfahnder sein oder jemand aus der Nolles-Bande, der hergeschickt wurde, um uns auszuspionieren.«
Flora hatte das nicht bedacht, und ihre Freundlichkeit ließ nach, während sie Barnaby musterte.
»Ma hat recht«, sagte sie, »das hier könnte ein Trick sein, damit wir Ihnen vertrauen.«
»Finden Sie nicht, dass es doch ein wenig leichtsinnig war, mich beinahe dabei umzubringen, nur um mich hier einzuschmuggeln?«, fragte Barnaby.
»Was, wenn Jeb mich nicht gesehen hätte? Ich wäre ertrunken.«
»Vielleicht ist es schade, dass Sie das nicht sind«, entgegnete Mrs Gilbert scharf.
»Besonders wenn Sie vorhaben, Ihre Nase in etwas hineinzustecken, das Sie nichts angeht.«
» Ma! Das meinst du nicht ernst«, rief Flora und warf Barnaby einen besorgten Blick zu, eindeutig hin- und hergerissen, auf wessen Seite sie sich stellen sollte.
Mrs Gilbert hielt einen Moment dagegen, dann ließ sie die Schultern sinken. Müde erklärte sie:
»Nein, das habe ich nicht so gemeint – wenigstens nicht das mit dem Ertrinken. Es ist eine lange Nacht gewesen, und ich bin nicht mehr so jung wie früher.« Sie ließ sich auf einen mit Chintz bezogenen Stuhl sinken, der in der Nähe des Bettes stand, und betrachtete Barnaby eindringlich.
»Was hier vor sich geht, betrifft Sie nicht und geht Sie daher nichts an«, erklärte sie schließlich.
»Ich kann nicht erkennen, warum Sie mehr wissen wollen, als Sie es bereits tun – es sei denn, um Ihren Freunden eine aufregendere Geschichte erzählen zu können.« Als Barnaby dagegen Einspruch erheben wollte, hob sie eine Hand, gebot ihm wortlos zu schweigen und sagte:
»Wenn Sie derjenige sind, als der Sie sich hier ausgeben, werden Sie morgen von hier fortreiten und zu Ihrem feinen Landsitz und in Ihr feines Leben zurückkehren. Ein Leben, das sich drastisch von unserem Alltag unterscheidet. Bis auf die paar Mal, die Sie vielleicht hier einkehren, um sich mit einem Krug Ale zu erfrischen, werden sich unsere Pfade nicht wieder kreuzen.« Unglücklich fügte sie hinzu:
»Es wäre am besten, wenn Sie alles vergessen, was Sie heute Nacht hier gesehen oder gehört haben, und sich einfach daran erfreuen, am Leben zu sein.«
Barnaby zögerte. Mrs Gilbert hatte recht, aber sie irrte in ihrer Einschätzung von ihm. Er schuldete ihnen sein Leben, eine Schuld, die er nie zurückzahlen konnte. Sich des Umstandes bewusst, wie viel er ihnen verdankte, würde er nicht einfach morgen davonreiten können, als sei nichts Besonderes geschehen. Und was seinen feinen Landsitz und sein feines Leben anging, so war er sich ziemlich sicher, dass er sich hier in der Krone mit ihren Bewohnern wesentlich wohler fühlen würde als im Umgang mit seinem Cousin Mathew und seinesgleichen. Das Letzte jedoch, was er wollte, war genau die Leute gegen sich aufzubringen oder ihnen lästig zu fallen, die ihm vor Kurzem noch das Leben gerettet hatten. Er konnte warten, bis er Antworten auf seine Frage erhielt.
Mit einem schiefen Lächeln zu Mrs Gilbert bemerkte er:
»Gut, ich füge mich Ihren Wünschen. Ich bin Ihnen überaus dankbar für all das, was Sie für mich getan haben, und während ich nicht versprechen kann, alles zu vergessen, was heute Nacht
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