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Eine Stuermische Nacht

Eine Stuermische Nacht

Titel: Eine Stuermische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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verschwamm das Zimmer vor seinen Augen, und er fürchtete sogar, das Bewusstsein zu verlieren.
    Das tat er dann nicht, aber einzig aufgrund seiner Sturheit war es ihm möglich, aufzustehen. Zugegeben, er klammerte sich eine Weile an einen der Bettpfosten und kämpfte gegen den Schwindel, aber – bei Gott! Er stand auf seinen eigenen Beinen.
    Mit unsicheren Schritten ging er zu einem der Stühle am Kamin und ließ sich dankbar darauf sinken. So schwach wie ein Neugeborenes , dachte er verächtlich und starrte finster ins Feuer, als ob die fröhlich gelb und rot flackernden Flammen daran schuld hätten.
    Er hörte ein Klopfen an der Tür, aber ehe er antworten konnte, schwang die Tür auf, und Flora, ein Tablett mit einer Zinnkaffeekanne, einer weißen Steinguttasse und einem Teller mit dicken goldbraunen Brötchen in den Händen, kam ins Zimmer getrippelt. Als sie ihn vor dem Feuer sitzen sah, blieb sie jäh stehen.
    »Und was, bitte, denken Sie, tun Sie da?«, wollte sie tadelnd wissen und stellte das Tablett auf dem Tischchen neben seinem Stuhl ab. Die Hände in die Hüften gestemmt, erklärte sie:
    »Sie sollten noch im Bett sein. Und Sie sollten mir erlauben, Ihre Wunde zu versorgen. Ma sagt, sie sollte am besten verbunden werden.«
    »Vermutlich«, stimmte Barnaby ihr zu und kam sich ein wenig albern vor, in die voluminösen Falten eines Nachthemds gehüllt dazusitzen, das kaum seine Knie bedeckte. Der verstorbene Mr Gilbert, Friede seiner Seele, war offenbar wesentlich rundlicher gewesen als er und nicht annähernd so groß.
    Da Barnaby genau da blieb, wo er sich befand, und sein störrisch wirkendes Kinn ihr verriet, dass er kaum vorhatte, artig wieder ins Bett zu steigen – oder sie an seinen Kopf zu lassen – schnaubte Flora nach einem Augenblick nur und goss ihm eine Tasse schwarzen Kaffees ein. Der aromatische Duft stieg ihm kitzelnd in die Nase, als sie ihm die dampfende Tasse reichte. Mit einem gestrengen Blick zu ihm sagte sie:
    »Sie sind wirklich stur.«
    Barnaby nahm die Tasse und lächelte.
    »Ich sehe, dass Sie trotz unserer kurzen Bekanntschaft schon ein weitgehendes Verständnis für mein Wesen entwickelt haben.«
    Sie schüttelte den Kopf und lächelte breit.
    »Das ist eine typische Eigenschaft bei Männern. Und jetzt trinken Sie Ihren Kaffee.«
    Barnaby gehorchte und nahm einen langen Schluck. Dann stellte er die Tasse hin und fragte:
    »Gibt es jemanden, den Sie in meinem Namen nach Windmere schicken könnten? Mein Diener Lamb sollte dort inzwischen eingetroffen sein; er hat Kleider zum Wechseln für mich.« Er verzog das Gesicht.
    »Ich nehme an, was ich anhatte, ist ruiniert.«
    Flora nickte.
    »Sam kann eine Nachricht von Ihnen überbringen.« Sie schüttelte den Kopf. »Und was Ihre Kleider angeht … das Hemd könnte zu retten sein, aber das Meerwasser hat alles andere einlaufen und schrumpfen lassen.« Sie kicherte.
    »Ihre Hosen passen jetzt vielleicht Sam, und dabei ist er erst elf.«
    Barnaby musste lächeln.
    »Sie können ihm alles geben – mit besten Grüßen.« Er schaute sich um.
    »Haben Sie Papier und einen Federkiel? Ich würde Lamb gerne so rasch wie möglich benachrichtigen.«
    John Lamb traf drei Stunden später ein; eine verlegene Flora mit geröteten Wangen führte ihn ins Zimmer. Ihre Reaktion überraschte Barnaby nicht. Frauen egal welcher Herkunft fanden seinen Diener höchst attraktiv. John fungierte zwar als sein Diener, aber Barnaby fragte sich selbst oft genug, wer eigentlich wem diente.
    Er war so groß gewachsen wie Barnaby und sah erstaunlich attraktiv aus mit seiner dunklen Haut und den krausen schwarzen Haaren, die von seinen afrikanischen Wurzeln zeugten, und zudem welche, die nicht zu weit zurücklagen. Aber noch verblüffender waren seine strahlend blauen Augen, die bei seiner goldbraunen Haut besonders auffielen – und die katzenhafte Anmut und Eleganz seiner Bewegungen.
    Nachdem Flora widerstrebend gegangen war, schaute Barnaby zu, wie Lamb den Koffer auspackte, den er mitgebracht hatte. Barnaby fragte:
    »Und, wie war deine Reise?«
    Lamb schaute über seine Schulter zu seinem Arbeitgeber und grinste, wobei er eine makellos weiße Zahnreihe zeigte.
    »Deiner Nachricht nach wesentlich weniger aufregend als deine, scheint es.«
    »Darüber sei froh«, brummte Barnaby, als er aufstand. Er nahm die Hosen, die Lamb ihm reichte, und begann sich anzuziehen. Der Schwindel und die Benommenheit von heute Morgen waren verschwunden, sodass es ihm, als er sich

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