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Eine Stuermische Nacht

Eine Stuermische Nacht

Titel: Eine Stuermische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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schließlich die Stiefel anzog, bis auf leichte Kopfschmerzen gut ging.
    Nachdem der Koffer leer war, drehte Lamb sich um und musterte Barnaby scharf. In einer Stimme, die ein Diener niemals gegenüber seinem Herrn benutzen würde, erkundigte er sich:
    »Willst du mir verraten, was geschehen ist?«
    John Lamb war das Ergebnis einer Liaison zwischen Paxton Joslyn, Barnabys Großvater, und einer Quadronen-Mätresse, einer Viertelnegerin, die er vor gut sechsunddreißig Jahren während eines längeren Geschäftsbesuchs in New Orleans ein paar Monate lang ausgehalten hatte. Drei Jahre später war Paxton gestorben, ohne je zu wissen – oder sich darum zu kümmern –, dass er in New Orleans einen Sohn gezeugt hatte. Niemand zweifelte daran, dass Lamb sein Sohn war. Johns Körperbau und seine Gesichtszüge, besonders seine himmelblauen Augen, erzählten ihre eigene Geschichte: Er sah mehr wie ein Joslyn aus als Barnaby.
    Als Lamb sechs Jahre alt war, hatte seine Mutter ihn auf Drängen ihres damaligen Beschützers nach Virginia geschickt. So kam es, dass ein verwirrter und verängstigter kleiner Junge mit verblüffend blauen Augen in seinem dunkelgoldenen Gesicht in die Bibliothek auf Green Hill geführt wurde. Es vergingen einige Jahre, bis er begriff, dass der große attraktive Mann, der ihn so unglücklich betrachtet hatte, tatsächlich sein Halbbruder war.
    Ein Blick auf den Jungen reichte, und Lyndon Joslyn hatte keine Zweifel daran, dass John Lamb in der Tat ein Bastard seines Vaters war. Unfähig, den Jungen fortzuschicken, aber auch nicht bereit, ihn als seinen Halbbruder anzuerkennen, übergab er das Kind der Obhut des Aufsehers, sorgte aber dafür, dass der Junge unterrichtet wurde. Lamb wuchs so zwar nicht als Kind eines reichen Plantagenbesitzers auf oder wurde von der Familie mit offenen Armen empfangen, aber er wurde auch nicht zur Arbeit auf die Felder geschickt.
    Wie Lamb es einmal Barnaby gegenüber ausgedrückt hatte, als sie beide restlos betrunken waren:
    »Weder Fisch noch Fleisch, das bin ich.« Er hatte finster in seinen Alekrug gestarrt.
    »Manchmal wünschte ich fast, dein Vater hätte mich auf die Felder geschickt. Dieses halbe Leben …«
    »Bitte vergiss nicht, dass es heutzutage deine eigene verdammte Entscheidung ist«, hatte Barnaby erwidert. Ebenso betrunken hatte sich Barnaby Mühe geben müssen bei jedem Wort, es deutlich auszusprechen. »Nach seinem Tod habe ich dir angeboten, dir Land zu überschreiben. Du bist der sture Spinner, der das abgelehnt hat.«
    Lamb grinste.
    »Das liegt daran, dass ich als dein Diener zu gerne sehe, wie du dich windest. Bei ihm konnte ich keine Gewissensbisse erzeugen, aber bei dir geht das wunderbar.«
    Was unseligerweise stimmte, dachte Barnaby und seufzte. Weder Paxton noch Lyndon waren ihrem Wesen nach bösartig gewesen: Beide schoben Unangenehmes oder Dinge, die sie daran hinderten, ihren Vergnügungen nachzugehen, gerne einfach beiseite und beachteten sie nicht weiter.
    Lamb unterbrach seine Gedankengänge.
    »Du denkst an die beiden, nicht wahr?«
    »Und wenn?«
    »Hör auf. Ich habe meine Wahl getroffen, und für den Moment« – Lamb grinste breit – »gefällt es mir, deinen Diener zu spielen.«
    Barnaby schnaubte abfällig.
    »Diener«, sagte er, »beschreibt dich nur sehr unzureichend. Jemanden, der weniger dienstbeflissen und unterwürfig wäre, kann ich mir kaum vorstellen. Oder arroganter, jetzt, wo ich darüber nachdenke.«
    »Stimmt«, musste ihm Lamb recht geben.
    »Aber ich denke, du lenkst vom Thema ab. Was ist geschehen?«
    Kurz und knapp berichtete Barnaby, was er wusste, ließ allerdings das aus, was sich in seinem Zimmer nach seiner Rettung zugetragen hatte. Aus Gründen, die er selbst nicht ganz verstand, wollte er Miss Emily für sich behalten – und dass es in der Krone vor Schmugglern nur so wimmelte. Wenigstens wollte er es jetzt noch nicht erzählen.
    Lamb wollte beginnen, die Wunde zu untersuchen, aber Barnaby winkte rasch ab.
    »Es geht mir gut – oder wenigstens gut genug, um von hier fortzureiten, ohne den Kopf dick in Verbände gewickelt zu haben.«
    Lamb war damit zwar nicht einverstanden, aber da er Barnaby lange genug kannte, fragte er nur:
    »Also, wer hat dich auf den Kopf geschlagen und dich dem Tod durch Ertrinken preisgegeben? Mathew?«
    Barnaby betrachtete angelegentlich seine Stiefel.
    »Das Gefühl habe ich nicht.« Er schaute auf und blickte Lamb stirnrunzelnd an.
    »Du hast ihn getroffen. Scheint er dir zu

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