Eine Stuermische Nacht
empfangen wollte, auch wenn er durchaus in der Lage war, einen zu spielen, wenn es ihm passte, thronte Barnaby auf einem weich gepolsterten Stuhl in der Nähe des Kamins aus grauem Mauerwerk, als die drei Damen von Lamb ins Zimmer geleitet wurden. Er trug einen goldbestickten burgunderroten Morgenrock, schwarze Seidenschuhe und einen geschmackvoll arrangierten Schal aus weißer Wolle um den Hals. Der Verband um seinen Kopf war verschwunden, und mit Ausnahme eines sich langsam ausbreitenden blauen Flecks an seinem Haaransatz und dunklen Schatten unter seinen Augen, sah er bemerkenswert gesund aus.
Und gut, dachte Emily, deren Herz schneller zu schlagen begann, als ihre Augen sich trafen, als er aufstand, um sie zu begrüßen. Ihr Blick wich dem warmen Glitzern in seinem aus, und sie stand ein wenig abseits und fragte sich, ob die anderen wohl ihren dröhnenden Herzschlag hören konnten.
Nachdem Emily stumm dastand, blieb es Anne überlassen, Barnaby und Cornelia miteinander bekannt zu machen.
»Sie haben die Körpergröße und die breiten Schultern Ihres Urgroßvaters«, stellte Cornelia ohne Umschweife fest, nachdem sie einander vorgestellt worden waren und alle Platz genommen hatten, »und den Zug um den Mund, wenn Sie lächeln, aber sonst gibt es nicht viel, das Sie als Joslyn kennzeichnet, oder?«
»Nein, ich fürchte nicht«, erwiderte Barnaby entschuldigend.
»Ich gerate nach der Familie meiner Mutter.« Ein Lächeln lauerte in seinen dunklen Augen, als er fragte:
»Bin ich damit unrettbar verdammt?«
Cornelia musste lächeln.
»Mit diesen Schultern? Und Ihrem Titel und Vermögen? Seien Sie nicht albern, junger Mann. Sie könnten wie ein seit zwei Tagen toter Lurch aussehen, und die Damen würden sich dennoch um sie drängen.«
Lamb, der im Hintergrund stand, wandte den Kopf ab, damit niemand sein Lächeln sah, aber Barnaby lachte offen heraus.
»Das hat mich eindeutig auf meinen Platz verwiesen, was?«, erwiderte er gutmütig.
Walker kam herein und brachte Erfrischungen. Sie tranken Tee und aßen Zitronengebäck und Löffelbiskuit, aber Emily beteiligte sich wenig an der Unterhaltung, sie überließ es Cornelia und Barnaby. Sie hatten Spaß miteinander, musste Emily denken, während sie sie beobachtete. Ihre Großtante war in bester Stimmung, genoss unverkennbar die Aufmerksamkeit eines gut aussehenden Mannes, und Barnaby lächelte und lachte oft über Cornelias geistreiche Bemerkungen. Cornelia und Anne saßen zu beiden Seiten von Barnaby, Emily hatte neben Cornelia Platz genommen, von wo aus sie Barnabys Gesicht gut sehen konnte, während er mühelos ihre Großtante und ihre Stiefmutter eroberte. Ab und zu glitt sein Blick zu ihr, und jedes Mal, wenn er seine Augen auf sie richtete, war sich Emily einer leisen Aufregung bewusst, die sich in ihr ausbreitete.
Obwohl sie sich darauf gefreut hatte, Lord Joslyn wiederzusehen, wollte Emily nun am liebsten sofort seiner Gegenwart entfliehen. Sie brauchte Zeit, um in Ruhe nachzudenken, zu begreifen, warum er eine solche Wirkung auf sie hatte, und mit den neuen Gefühlen klarzukommen, die er in ihr weckte. Während sie sein hartes dunkles Gesicht betrachtete, gestand sie sich widerstrebend ein, dass sie sich zu ihm auf eine Weise hingezogen fühlte, wie sie es bei keinem anderen Mann zuvor erlebt hatte, und diese Einsicht beunruhigte sie und erfüllte sie mit Argwohn.
Liebe oder Ehe hatten für Emily nie den Reiz besessen, wie es bei anderen Frauen wohl der Fall war. Geschichten von Cornelias unglücklicher Ehe und die Gleichgültigkeit ihres Vaters ihrer jungen Stiefmutter gegenüber hatten in ihrer Brust nicht unbedingt das Verlangen nach einer Heirat geweckt. Jefferys Verhalten und das seiner liederlichen Freunde, mit denen er das Haus füllte, hatten ihr das männliche Geschlecht sicher nicht empfohlen. Ganz im Gegenteil, wenn es nicht Hugh gegeben hätte und auch – wenn auch weniger bedeutsam – Simon, wäre es verzeihlich gewesen, wenn sie geglaubt hätte, dass alle Männer entweder rücksichtslose Schurken oder räuberische Monster waren. Ainsworth gehörte eindeutig in letztere Kategorie, überlegte sie mit verächtlich verzogenen Lippen.
Barnaby Joslyn hingegen war von ganz anderem Schlag als alle anderen Männer, die sie kannte. Er verwirrte sie – oder besser, ihre Reaktion auf ihn verwirrte sie. Nicht ein einziges Mal, noch nicht einmal während einer ihrer beiden Saisons, hatte sie sich gefragt, wie es wäre, geküsst zu werden, oder war
Weitere Kostenlose Bücher