Eine Sünde zuviel
Sie hatte einen schönen weißen Brand. Für sechzig Pfennig kann man das verlangen, dachte Faber. Eine Sechzig-Pfennig-Zigarre ist für einen Beamten schon ein Luxusstengel.
»Wieso kennt Ihr Gatte Monika nicht?«
»Nicht so gut wie ich! Monika ist eine Horten. Sie hat einen durchaus realen Sinn für das Leben. Natürlich ist sie Künstlerin … aber sie hat keinerlei Anlage zur Bohème! Im Gegenteil, wenn man sagen kann, daß ein Künstler nüchtern ist, dann war es Monika.« Sie strich sich über die Haare. »Mein Gott … wir alle sagen immer ›war‹ … sie ist es noch! Wir tun ja, als ob sie schon abgeschrieben ist –«
»Verzeihung.« Faber schob die Unterlippe vor. »Das sind so dumme grammatikalische Verirrungen, die wir an uns haben. Wenn ein Mensch nicht da ist, ist er für uns weg … sehr klug, was?« Er lachte wieder sein joviales, in Fett eingebettetes Lachen. »Sagen wir also ab jetzt ›ist‹. Also: Fräulein Horten ist real?!«
»Sehr.«
»Luiserl …« Dahlmann blinzelte Faber zu. »Du hast Moni über ein Jahr lang nicht mehr beobachten können. Sie hat sich gewandelt …«
»Nein.«
»Aber ja. Ich war selbst erstaunt über sie. Denk nur an den plötzlichen Auszug …«
»Was für'n Auszug?« hakte Faber schnell hinterher.
»Meine Schwägerin ist plötzlich, von einer Stunde zur anderen, weggezogen. Sie hatte hier im Hause, oben unter dem Dach, wie es sich gehört für einen Maler, ein Atelier. Das hat sie aufgegeben und ist weggezogen. Nach Soltau, wie Sie wissen.«
»Interessant. Und keine Gründe?«
»Nein!« sagte Dahlmann fest. Auch Luise schwieg. Ob sie jetzt sagte, warum Monika fluchtartig gegangen war, oder ob sie schwieg … es brachte Faber doch nicht weiter. Sie wußte: Die Lösung des Geheimnisses lag bei Dahlmann, allein bei ihm … und auch ein Ludwig Faber würde ihn nicht zum Sprechen bringen. Das konnte nur sie … sie und das Vermögen der Hortens, um das Dahlmann so erbittert kämpfte.
»Merkwürdig.« Faber sah in den Rauch seiner Zigarre.
»Das haben wir auch gesagt. Und in Soltau lernte sie dann einen Mann kennen …«
»Ach!« Faber kratzte sich die dicke Nase. »Sie kennen ihn?«
»Natürlich. Er war gestern abend noch hier.«
»Hier?«
»Ja. Auch er suchte Monika. Schließlich war er ja ihr freundschaftlicher Begleiter.«
»Das haben Sie sehr charmant ausgedrückt.« Faber legte seine Zigarre auf den Rand des Aschenbechers. Er witterte etwas. »Wie lange kennt Ihre Schwägerin diesen Herrn?«
»Ein paar Tage –«
»O jejeje! Und dann gleich im siebten Himmel?«
»Es scheint so.«
»Wie heißt der Herr?«
»Julius Salzer. Er ist Schriftsteller.«
»Salzer. Der hat doch erst die Anzeige gemacht und uns alarmiert.«
»Ja.«
»Er rief zusammen mit Dr. Kutscher an.« Faber nahm ein Notizbuch aus der Tasche und beleckte nach alter Sitte die Spitze seines Bleistiftes. »Salzer wohnt auch in Soltau, nicht wahr?«
»Ja. Im ›Grünen Krug‹. Er ist dort Hausbursche und Kalfaktor für alles.«
»Ich denke Schriftsteller?«
»So nennt er sich. Was er schreibt, muß nach dem, was er erzählt, völlig versponnen sein! Keiner druckt es.«
»Also ein armes Schwein.«
»Eine verhungerte Kirchenmaus.«
»Und Ihre Schwägerin hatte Geld?«
»Sie erwartete es …«
»Das ist ja alles Dummheit, Dummheit!« rief Luise dazwischen. »Salzer ist ein völlig harmloser Junge …«
»Woher willst du das wissen? Du hörst ihn ja nur, Luiserl …« Dahlmann legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Sie schüttelte sie ab wie ein ekliges Insekt. »Natürlich ist dieser Julius Salzer, der sich Jules Salaire nennt, ein harmloser Bursche …« Aber es klang so, als wollte er sagen: Auch ein Wolf in Schafskleidern bleibt immer noch ein Wolf … Der dicke Faber erhob sich ächzend. Der Sessel war tief und weich, man versank darin. Faber war nur harte Beamtenstühle gewöhnt, auf denen man in strammer Haltung sitzen mußte, sichtbares Denkmal deutscher Obrigkeit. Aus tiefen Sesseln mußte er sich immer mit einem Klimmzug befreien.
»Das war's also«, sagte er schnaufend, als er stand.
Dahlmann sah ihn verwundert an.
»Mehr wollten Sie nicht wissen?«
»Nein. Warum? Gibt's mehr?«
»Ich wüßte nicht.«
»Also!« Faber nahm seine Zigarre wieder zwischen die Finger. »Was sagte Ihre Schwägerin, als sie von Ihnen wegging?«
»Guten Tag. Und grüß mir Luise. Ich komme am Abend wieder.«
»Und dabei blieb es?«
»Wie Sie sehen –«
»Danke.«
Der dicke
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